Entscheidungsstichwort (Thema)

Geistiges und gewerbliches Eigentum. Gemeinschaftlicher Sortenschutz. Verordnung (EG) Nr. 2100/94. Landwirteprivileg. Begriff ‚angemessene Vergütung’. Ersatz des erlittenen Schadens. Verletzung

 

Beteiligte

Geistbeck und Geistbeck

Josef Geistbeck

Thomas Geistbeck

Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH

 

Tenor

1. Zur Festsetzung der „angemessenen Vergütung”, die nach Art. 94 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz ein Landwirt schuldet, der durch Nachbau gewonnenes Vermehrungsgut einer geschützten Sorte genutzt hat, ohne die ihm nach Art. 14 Abs. 3 dieser Verordnung in Verbindung mit Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2100/94 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 geänderten Fassung obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, ist als Berechnungsgrundlage der Betrag der Gebühr heranzuziehen, die in demselben Gebiet für die Erzeugung von Vermehrungsmaterial der geschützten Sorten der betreffenden Pflanzenart in Lizenz geschuldet wird.

2. Die Zahlung einer Entschädigung für die Kosten der Kontrolle der Einhaltung der Rechte des Inhabers eines Sortenschutzrechts kann nicht in die Berechnung der in Art. 94 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2100/94 vorgesehenen „angemessenen Vergütung” einbezogen werden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 30. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Oktober 2010, in dem Verfahren

Josef Geistbeck,

Thomas Geistbeck

gegen

Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Josef und Thomas Geistbeck, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Beismann und M. Miersch,
  • der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte K. von Gierke und C. von Gierke,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch X. Basakou und A.-E. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Schima, F. Wilman und M. Vollkommer als Bevollmächtigte,
  • nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung mehrerer Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz (ABl. L 227, S. 1) und der Verordnung (EG) Nr. 1768/95 der Kommission vom 24. Juli 1995 über die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2100/94 (ABl. L 173, S. 14) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2605/98 der Kommission vom 3. Dezember 1998 (ABl. L 328, S. 6) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1768/95).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Landwirten Geistbeck (im Folgenden: Kläger des Ausgangsverfahrens) und der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (im Folgenden: STV), die die Rechte der Inhaber der geschützten Pflanzensorten Kuras, Quarta, Solara und Marabel wahrnimmt, wegen des nicht vollständig gemeldeten Nachbaus dieser Pflanzensorten durch die Kläger des Ausgangsverfahrens.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung Nr. 2100/94

Rz. 3

Nach Art. 11 der Verordnung Nr. 2100/94 steht das Recht auf den gemeinschaftlichen Sortenschutz dem „Züchter” zu, d. h. „der Person …, die die Sorte hervorgebracht oder entdeckt und entwickelt hat bzw. ihrem Rechtsnachfolger”.

Rz. 4

Art. 13 („Rechte des Inhabers des gemeinschaftlichen Sortenschutzes und verbotene Handlungen”) dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Der gemeinschaftliche Sortenschutz hat die Wirkung, dass allein der oder die Inhaber des gemeinschaftlichen Sortenschutzes, im Folgenden ‚Inhaber’ genannt, befugt sind, die in Absatz 2 genannten Handlungen vorzunehmen.

(2) Unbeschadet der Artikel 15 und 16 bedürfen die nachstehend aufgeführten Handlungen in Bezug auf Sortenbestandteile oder Erntegut der geschützten Sorte – beides im Folgenden ‚Material’ genannt – der Zustimmung des Inhabers:

a) Erzeugung oder Fortpflanzung (Vermehrung),

Der Inhaber kann seine Zustimmung von Bedingungen und Einschränkungen abhängig machen.

…”

Rz. 5

Art. 14 („Abweichung vom gemeinschaftlichen Sortenschutz”) der Verordnung bestimmt in Abs. 1:

„Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 2 können Landwirte zur Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung zu Vermehrungszwecken im Feldanbau in ihrem eigenen Betrieb das Ernteerzeugnis verwenden, das sie in ihrem eigenen Betrieb durch A...

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