Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Allgemeine Grundsätze des Unionsrechts. Durchführung des Unionsrechts. Anwendungsbereich des Unionsrechts. Hinreichender Zusammenhang. Fehlen. Unzuständigkeit des Gerichtshofs
Normenkette
Charta der Grundrechte der Europäischen Union
Beteiligte
Regione Sicilia – Soprintendenza Beni Culturali e Ambientali di Palermo |
Tenor
Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Beantwortung der vom Tribunale Amministrativo Regionale per la Sicilia (Italien) gestellten Frage nicht zuständig.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale Amministrativo Regionale per la Sicilia (Italien) mit Entscheidung vom 14. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2013, in dem Verfahren
Cruciano Siragusa
gegen
Regione Sicilia – Soprintendenza Beni Culturali e Ambientali di Palermo
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Juhász sowie der Richter A. Rosas (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und C. Schillemans als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin und C. Zadra als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Siragusa und der Regione Sicilia – Soprintendenza Beni Culturali e Ambientali di Palermo (Region Sizilien – Direktion für Kultur- und Naturerbe von Palermo) wegen der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands des Grundstücks von Herrn Siragusa.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Eigentümer von Land, das in einem Landschaftsschutzgebiet liege, dort keinen Eingriff ohne Genehmigung der zuständigen Behörde vornehmen dürfe.
Rz. 4
Art. 146 Abs. 1 und 2 des Gesetzesdekrets Nr. 42 vom 22. Januar 2004 (Codice dei beni culturali e del paesaggio [Kodex der Kultur- und Landschaftsgüter], im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 42/04) in der für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung bestimmt, dass der Eigentümer von gesetzlich geschützten Liegenschaften sie nicht zerstören und keine Änderungen durchführen darf, mit denen die geschützten landschaftlichen Werte beeinträchtigt werden. Vor der Durchführung von Änderungen hat er eine Genehmigung zu beantragen. Führt er die Änderungen ohne vorherige Genehmigung durch, kann die Verwaltung die Änderungen gemäß Art. 167 Abs. 4 und 5 nachträglich genehmigen, wenn die durchgeführte Baumaßnahme mit den geschützten landschaftlichen Werten vereinbar ist.
Rz. 5
Art. 167 des Gesetzesdekrets Nr. 42/04 bestimmt die Folgen einer Verletzung der in dem Gesetzesdekret festgelegten Verpflichtungen. Nach Art. 167 Abs. 4 des Gesetzesdekrets stellt die zuständige Behörde in folgenden Fällen fest, ob die betreffenden Arbeiten mit den Belangen des Landschaftsschutzes vereinbar sind:
„a) bei Arbeiten, die ohne Landschaftsschutzgenehmigung oder abweichend von dieser durchgeführt wurden, wenn durch sie weder Nutzflächen oder Volumen neu geschaffen noch ordnungsgemäß geschaffene Nutzflächen oder Volumen vergrößert wurden”.
Rz. 6
In Fällen, in denen es sich um keine Arbeiten handelt, durch die Nutzflächen oder Volumen neu geschaffen oder ordnungsgemäß geschaffene Nutzflächen oder Volumen vergrößert wurden und eine Landschaftsverträglichkeit festgestellt wird, hat die zuwiderhandelnde Person ein Bußgeld zu zahlen.
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Rz. 7
Der Kläger im Ausgangsverfahren ist Eigentümer einer Liegenschaft in einem Landschaftsschutzgebiet. An dieser nahm er ohne vorherige Genehmigung Änderungen vor, für die er bei der Gemeinde Trabia – nach Zustimmung der zuständigen Soprintendenza Beni Culturali e Ambientali di Palermo – eine nachträgliche Baugenehmigung beantragte.
Rz. 8
Die letztgenannte Behörde erließ am 4. April 2011 eine Anordnung, durch die ihm die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands der Örtlichkeiten mittels Entfernung aller unerlaubt ausgeführten Bauten binnen einer Frist von 120 Tagen ab Empfang dieses Schreibens aufgegeben wurde. Dies wurde damit begründet, dass für die in Rede stehenden Bauten eine Feststellung der Landschaftsverträglichkeit gemäß den Art. 167 und 181 des Gesetzesdekrets Nr. 42/04 nicht möglich sei, da es sich um Bauten ...