EuG ab Oktober 2024 für Vorabentscheidungen zuständig

Die Zuständigkeit für Vorabentscheidungen in sechs besonderen Sachgebieten wird ab dem 1.10.2024 nicht mehr beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), sondern beim Gericht der Europäischen Union (EuG) liegen. Dies betrifft auch Vorabentscheidungen bei Umsatzsteuerfragen.

Die Änderung der Satzung des EuGH sieht u. a. eine teilweise Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen auf das EuG vor. Diese Übertragung betrifft sechs besondere Sachgebiete:

  1. das gemeinsame Mehrwertsteuersystem,
  2. Verbrauchsteuern,
  3. den Zollkodex,
  4. die zolltarifliche Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur,
  5. Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Flug- und Fahrgäste im Fall der Nichtbeförderung, bei Verspätung oder bei Annullierung von Transportleistungen sowie
  6. das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten.

Hintergrund und Ziel der Reform

Nach Art. 267 Abs. 2 AEUV sind die Instanzgerichte der Mitgliedstaaten (z. B. deutsche Finanzgerichte) berechtigt, den EuGH um Vorabentscheidung zur Auslegung und Gültigkeit von Unionsrecht zu bitten (sog. Vorabentscheidungsersuchen). Ein solches Ersuchen kommt in Betracht, wenn die Klärung einer unionsrechtlichen Frage entscheidungserheblich in einem innerstaatlichen Rechtsstreit sein könnte. 

Nach Art. 267 Abs. 3 AEUV gilt eine Vorlagepflicht für letztinstanzliche Gerichte der Mitgliedstaaten (z. B. den BFH), wenn die Frage nach der richtigen Interpretation von Unionsrecht für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblich ist, nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den EuGH war und die zutreffende Anwendung der EU-Rechtsnorm zweifelhaft ist.

Die Reform zielt darauf ab, die Arbeitsbelastung des EuGH im Bereich der Vorabentscheidungen zu verringern und es ihm zu ermöglichen, seine Aufgabe, die Wahrung des Rechts bei der Anwendung und Auslegung der Verträge zu gewährleisten, weiterhin innerhalb angemessener Fristen zu erfüllen.

Teilweise Übertragung der Zuständigkeit für Vorabentscheidungen

ab dem 1.10.2024 wird Zuständigkeit für Vorabentscheidungen vom Gerichtshof auf das EuG, das mit zwei Richtern pro Mitgliedstaat besetzt ist, übertragen. Aus Gründen der Rechtssicherheit betrifft die Übertragung nur die sechs o. g. klar abgegrenzte Sachgebiete, die sich hinreichend von anderen Sachgebieten trennen lassen und zu denen es bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des EuGH gibt.

Der EuGH wird weiterhin zuständig sein für die Entscheidung über Vorabentscheidungsersuchen, die sich zwar de genannten besonderen Sachgebieten zuordnen lassen, aber auch andere Bereiche betreffen.

Er wir daußerdem weiterhin für Vorabentscheidungsersuchen zuständig sein, die zwar zu einem oder mehreren der besonderen Sachgebiete gehören, aber eigenständige Fragen der Auslegung

  • des Primärrechts einschließlich der Charta der Grundrechte der EU,
  • des Völkerrechts oder
  • der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts aufwerfen.

Darüber hinaus wird das EuG auch Rechtssachen, die zwar in seine Zuständigkeit fallen, aber eine Grundsatzentscheidung erfordern, die die Einheit oder die Kohärenz des Unionsrechts berühren könnte, zur Entscheidung an den EuGH verweisen können.

Sämtliche Vorabentscheidungsersuchen sind weiterhin beim EuGH einzureichen, damit dieser nach den in seiner Verfahrensordnung festgelegten Modalitäten prüft, ob das Ersuchen ausschließlich in eines oder mehrere der festgelegten besonderen Sachgebiete fällt und ob es folglich dem EuG zuzuweisen ist. Sehr aufschlussreich dürfte in Zukunft sein, welche Verfahren der EuGH nach dieser Prüfung selbst bearbeiten wird.

Neue Entwicklungen für sämtliche Vorabentscheidungssachen

Die folgenden Neuerungen gelten für alle Vorabentscheidungsersuchen, unabhängig vom jeweiligen Sachgebiet und unabhängig von der Frage ihrer etwaigen Weiterleitung an das Gericht.

Erstens werden, wie dies bereits für sämtliche Mitgliedstaaten und für die Kommission der Fall ist, künftig sämtliche Vorabentscheidungsersuchen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Zentralbank mitgeteilt, damit diese beurteilen können, ob sie ein besonderes Interesse an den aufgeworfenen Fragen haben und dementsprechend von ihrem Recht zur Einreichung von Schriftsätzen oder schriftlichen Erklärungen Gebrauch
machen wollen.

Zweitens ist vorgesehen, dass in sämtlichen Vorabentscheidungssachen die von einem in Art. 23 der Satzung bezei wchneten Beteiligten eingereichten Schriftsätze oder schriftlichen Erklärungen innerhalb einer angemessenen Frist nach Abschluss des Verfahrens auf der Internetseite des Gerichtshofs veröffentlicht werden, es sei denn, der Beteiligte widerspricht der Veröffentlichung seines Schriftsatzes oder seiner Erklärungen.

Quelle: EuGH

Schlagworte zum Thema:  Umsatzsteuer