Entscheidungsstichwort (Thema)
Marken. Verfall. Marke, die infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung einer Ware oder einer Dienstleistung, für die sie eingetragen ist, geworden ist. Wahrnehmung des Wortzeichens KORNSPITZ durch die Verkäufer und durch die Endabnehmer. Verlust der Unterscheidungskraft aus der Sicht allein der Endverbraucher
Normenkette
Richtlinie 2008/95/EG Art. 12 Abs. 2 Buchst. a
Beteiligte
Backaldrin Österreich The Kornspitz Company |
Backaldrin Österreich The Kornspitz Company GmbH |
Tenor
1. Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren streitigen eine Marke für eine Ware, für die sie eingetragen ist, für verfallen erklärt werden kann, wenn die Marke infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit ihres Inhabers aus der Sicht allein der Endverbraucher dieser Ware zur gebräuchlichen Bezeichnung dieser Ware geworden ist.
2. Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass es als „Untätigkeit” im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, dass es der Inhaber einer Marke unterlässt, die Verkäufer dazu zu bewegen, die Marke für den Vertrieb einer Ware, für die die Marke eingetragen ist, mehr zu benutzen.
3. Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass die Erklärung des Verfalls einer Marke nicht die Klärung der Frage voraussetzt, ob es für eine Ware, für die die Marke im geschäftlichen Verkehr zur gebräuchlichen Bezeichnung geworden ist, andere Bezeichnungen gibt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Patent- und Markensenat (Österreich) mit Entscheidung vom 11. Juli 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 6. September 2012, in dem Verfahren
Backaldrin Österreich The Kornspitz Company GmbH
gegen
Pfahnl Backmittel GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Backaldrin Österreich The Kornspitz Company GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt E. Enging-Deniz,
- der Pfahnl Backmittel GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Gumpoldsberger,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und J.-S. Pilczer als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Varone, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Bulst und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. September 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Backaldrin Österreich The Kornspitz Company GmbH (im Folgenden: Backaldrin) und der Pfahnl Backmittel GmbH (im Folgenden: Pfahnl) – beides Gesellschaften österreichischen Rechts – wegen der für Backaldrin eingetragenen Wortmarke KORNSPITZ.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2008/95
Rz. 3
Nach Art. 2 der Richtlinie 2008/95 können Marken „alle Zeichen sein, die sich grafisch darstellen lassen, … soweit solche Zeichen geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden”.
Rz. 4
Art. 3 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:
…
b) Marken, die keine Unterscheidungskraft haben;
c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können;
d) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich sind;
…”
Rz. 5
Art. 5 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäft...