Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zeitlicher Anwendungsbereich. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Sachlicher Anwendungsbereich. Zivil- und Handelssachen. Ausgeschlossene Rechtsgebiete. Eheliche Güterstände. Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung, mit der bestätigt wird, dass die Entscheidung des Ursprungsgerichts vollstreckbar ist. Gerichtliche Entscheidung über eine Forderung infolge der Auflösung des sich aus einer faktischen Lebensgemeinschaft ergebenden Güterstands

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 66, 1 Abs. 1, 2 Buchst. a, Art. 54

 

Beteiligte

Weil

Ágnes Weil

Géza Gulácsi

 

Tenor

1. Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein mitgliedstaatliches Gericht, bei dem ein Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung gestellt wird, mit der bestätigt wird, dass eine vom Ursprungsgericht erlassene Entscheidung vollstreckbar ist, in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der sich das Gericht, das die zu vollstreckende Entscheidung erlassen hat, bei deren Erlass nicht zur Anwendbarkeit dieser Verordnung geäußert hat, prüfen muss, ob der Rechtsstreit in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt.

2. Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass eine Klage wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit der die Auflösung der sich aus einer faktischen Lebensgemeinschaft ergebenden Vermögensbeziehungen begehrt wird, zu den „Zivil- und Handelssachen” im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels gehört und somit in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Szekszárdi Járásbíróság (Kreisgericht Szekszárd, Ungarn) mit Entscheidung vom 16. Mai 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juni 2018, in dem Verfahren

Ágnes Weil

gegen

Géza Gulácsi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas und M. Safjan,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér als Bevollmächtigten,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und A. Tokár als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a und von Art. 53 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Ágnes Weil, die ihren Wohnsitz in Ungarn hat, und Herrn Géza Gulácsi, der seinen Wohnsitz im Vereinigten Königreich hat, über die Ausstellung der Bescheinigung nach Art. 53 der Verordnung Nr. 1215/2012 für die Zwecke der Vollstreckung einer gegen Herrn Gulácsi ergangenen rechtskräftigen Entscheidung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 44/2001

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 16 bis 18 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1) heißt es:

„(16) Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.

(17) Auf Grund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.

(18) Zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte muss der Schuldner jedoch gegen die Vollstreckbarerklärung einen Rechtsbehelf im Wege eines Verfahrens mit beiderseitigem rechtlichen Gehör einlegen können, wenn er der Ansicht ist, dass einer der Gründe für die Versagung der Vollstreckung vorliegt. Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs muss auch für den Antrag...

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