Normenkette

Verordnung EG Nr. 800/2008 Art. 1 Abs. 6 Buchst. c, Art. 1 Abs. 7 Buchst. c

 

Beteiligte

Nerea

Nerea SpA

Regione Marche

 

Tenor

1. Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der [Art. 107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) ist dahin auszulegen, dass der darin verwendete Begriff „Gesamtverfahren” alle vom nationalen Recht vorgesehenen Verfahren der Unternehmensinsolvenz erfasst, unabhängig davon, ob diese Verfahren durch die nationalen Verwaltungsbehörden und Gerichte von Amts wegen eröffnet oder auf Antrag des betroffenen Unternehmens eingeleitet werden.

2. Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung Nr. 800/2008 ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein Unternehmen die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens nach dem nationalen Recht erfüllt, was vom vorlegenden Gericht festzustellen ist, für die Nichtgewährung einer staatlichen Beihilfe nach dieser Verordnung oder – sofern sie bereits gewährt wurde – für die Feststellung ausreicht, dass die Beihilfe gemäß dieser Verordnung nicht hätte gewährt werden dürfen, wenn diese Voraussetzungen bereits zum Zeitpunkt der Zuschussgewährung vorlagen. Dagegen kann ein Zuschuss, der einem Unternehmen gemäß der Verordnung Nr. 800/2008 und insbesondere unter Beachtung ihres Art. 1 Abs. 6 gewährt wurde, nicht allein deshalb widerrufen werden, weil gegen dieses Unternehmen nach der Gewährung des Zuschusses ein Gesamtverfahren eröffnet wurde.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per le Marche (Verwaltungsgericht für die Region Marken, Italien) mit Entscheidung vom 4. März 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2016, in dem Verfahren

Nerea SpA

gegen

Regione Marche,

Beteiligte:

Banca del Mezzogiorno – Mediocredito Centrale SpA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras (Berichterstatter), J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Regione Marche, vertreten durch L. Di Ianni, avvocato,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli und M. Capolupo, avvocati dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Recchia und A. Bouchagiar als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. April 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 7 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der [Art. 107 und 108 AEUV] (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. 2008, L 214, S. 3).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den die Nerea SpA gegen die Regione Marche (Region Marken, Italien) deswegen führt, weil diese eine staatliche Beihilfe, die Nerea im Rahmen der Durchführung eines operationellen Rahmenprogramms (im Folgenden: ORP) des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) erhalten hatte, widerrief, weil Nerea zum präventiven Vergleich zur Fortführung des Unternehmens zugelassen worden war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 15 und 36 der Verordnung Nr. 800/2008 sehen vor:

„(15) Beihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten [(ABl. 2004, C 244, S. 2)] sollten auf der Grundlage dieser Leitlinien geprüft werden, damit deren Umgehung verhindert wird. Daher sollten Beihilfen für solche Unternehmen nicht von dieser Verordnung erfasst werden. Um den Verwaltungsaufwand der Mitgliedstaaten in Verbindung mit der Gewährung von … Beihilfen [für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)] im Rahmen dieser Verordnung zu verringern, sollte die Bestimmung des Begriffs ‚Unternehmen in Schwierigkeiten’ gegenüber der entsprechenden Begriffsbestimmung in den genannten Leitlinien vereinfacht werden. Außerdem sollten KMU in den ersten drei Jahren nach ihrer Gründung für die Zwecke dieser Verordnung nur dann als Unternehmen in Schwierigkeiten gelten, wenn die im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Voraussetzungen für die Eröffnung eines Gesamtverfahrens, welches die Insolvenz des Schuldners voraussetzt, erfüllt sind. Diese Vereinfachung sollte weder die Einstufung dieser KMU gemäß den genannten Leitlinien im Hinblick auf nicht unter diese Verordnung fallende Beihilfen berühren noch die im Rahmen dieser Verordnung erfolgende Einstufung von Großu...

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