Entscheidungsstichwort (Thema)
Verordnung (EG) Nr. 1206/2001. Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen. Sachlicher Anwendungsbereich. Vernehmung eines Zeugen, der Partei des Hauptsacheverfahrens ist, durch ein Gericht eines Mitgliedstaats, wenn der Zeuge in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft ist. Möglichkeit der Ladung einer Partei als Zeuge vor das zuständige Gericht gemäß dem Recht des Mitgliedstaats dieses Gerichts
Beteiligte
Maurice Robert Josse Marie Ghislain Lippens |
Maurice Robert Josse Marie Ghislain Lippens |
Gilbert Georges Henri Mittler |
Jean Paul François Caroline Votron |
Hendrikus Cornelis Kortekaas |
Kortekaas Entertainment Marketing BV |
Euphemia Joanna Bökkerink |
Tenor
Die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, insbesondere deren Art. 1 Abs. 1, sind dahin auszulegen, dass das zuständige Gericht eines Mitgliedstaats, das eine in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte Partei als Zeugen vernehmen will, hinsichtlich der Durchführung der Zeugenvernehmung die Möglichkeit hat, die betreffende Partei nach dem Recht seines Mitgliedstaats vorzuladen und zu vernehmen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 1. April 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2011, in dem Verfahren
Maurice Robert Josse Marie Ghislain Lippens,
Gilbert Georges Henri Mittler,
Jean Paul François Caroline Votron
gegen
Hendrikus Cornelis Kortekaas,
Kortekaas Entertainment Marketing BV,
Kortekaas Pensioen BV,
Dirk Robbard De Kat,
Johannes Hendrikus Visch,
Euphemia Joanna Bökkerink,
Laminco GLD N-A,
Ageas NV,vormals Fortis NV,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano sowie der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter), E. Levits und J.-J. Kasel,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Lippens, Herrn Mittler und Herrn Votron, vertreten durch P. D. Olden und H. M. H. Speyart, advocaten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und J. Langer als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vlácil als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, K. Petersen und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- von Irland, vertreten durch P. Dillon Malone, BL,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
- der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski und H. Leppo als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Troosters als Bevollmächtigten,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. Mai 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Lippens, Herrn Mittler und Herrn Votron (im Folgenden zusammen: Lippens u. a.), in Belgien wohnende Mitglieder der Geschäftsleitung der Ageas NV, vormals Fortis NV (im Folgenden: Fortis), einerseits und Herrn Kortekaas, der Kortekaas Entertainment Marketing BV, der Kortekaas Pensioen BV, Herrn De Kat, Herrn Visch, Frau Bökkerink und der Laminco GLD N-A (im Folgenden zusammen: Kortekaas u. a.), Inhaber von Wertpapieren von Fortis, andererseits wegen des Schadens, der Kortekaas u. a. dadurch entstanden sein soll, dass sie auf von Lippens u. a. verbreitete Informationen über die finanzielle Lage von Fortis vertraut hätten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 2, 7, 8, 10 und 11 der Verordnung Nr. 1206/2001 lauten:
„(2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sollte die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme verbessert, insbesondere vereinfacht und beschleunigt werden.
…
(7) Da es für eine Entscheidung in einem bei einem Gericht eines Mitgliedstaats anhängigen zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren oft erforderlich ist, in einem anderen Mitgliedstaat Beweis erheben zu lassen, darf sich die Tätigkeit der Gemeinschaft nicht auf den unter die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgl...