Entscheidungsstichwort (Thema)

Verordnung (EG) Nr. 1206/2001. Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen. Unmittelbare Beweisaufnahme. Ernennung eines Sachverständigen. Auftrag, der teilweise im Gebiet des Mitgliedstaats des vorlegenden Gerichts und teilweise im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausgeführt wird

 

Beteiligte

ProRail

ProRail BV

Xpedys NV

FAG Kugelfischer GmbH

DB Schenker Rail Nederland NV

Nationale Maatschappij der Belgische Spoorwegen NV

 

Tenor

Die Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und 17 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen sind dahin auszulegen, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats, das eine Beweisaufnahme, mit der ein Sachverständiger betraut ist, im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats durchführen will, nicht unbedingt verpflichtet ist, für die Anordnung dieser Beweisaufnahme das in den genannten Vorschriften vorgesehene Verfahren für eine Beweisaufnahme anzuwenden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hof van Cassatie (Belgien) mit Entscheidung vom 27. Mai 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 30. Juni 2011, in dem Verfahren

ProRail BV

gegen

Xpedys NV,

FAG Kugelfischer GmbH,

DB Schenker Rail Nederland NV,

Nationale Maatschappij der Belgische Spoorwegen NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter) und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ProRail BV, vertreten durch S. Van Moorleghem, advocaat,
  • der Xpedys NV, der DB Schenker Rail Nederland NV und der Nationale Maatschappij der Belgische Spoorwegen NV, vertreten durch M. Godfroid, advocaat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux und T. Materne als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch K. Petersen als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
  • der Schweizer Regierung, vertreten durch D. Klingele als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. September 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ProRail BV (im Folgenden: ProRail) einerseits und der Xpedys NV (im Folgenden: Xpedys), der FAG Kugelfischer GmbH (im Folgenden: FAG), der DB Schenker Rail Nederland NV (im Folgenden: DB Schenker) und der Nationale Maatschappij der Belgische Spoorwegen NV (im Folgenden: NMBS) andererseits wegen eines Unfalls eines aus Belgien kommenden und in die Niederlande fahrenden Zuges.

Rechtlicher Rahmen

Verordnung (EG) Nr. 1206/2001

Rz. 3

Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1206/2001 „[sollte] [f]ür das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts … die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme verbessert, insbesondere vereinfacht und beschleunigt werden”.

Rz. 4

In den Erwägungsgründen 6 und 7 dieser Verordnung heißt es:

„(6) Bislang gibt es auf dem Gebiet der Beweisaufnahme keine alle Mitgliedstaaten bindende Übereinkunft. Das Haager Übereinkommen vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen gilt nur zwischen elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

(7) Da es für eine Entscheidung in einem bei einem Gericht eines Mitgliedstaats anhängigen zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren oft erforderlich ist, in einem anderen Mitgliedstaat Beweis erheben zu lassen, darf sich die Tätigkeit der Gemeinschaft nicht auf den … Bereich der Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen beschränken. Daher muss die Zusammenarbeit der Gerichte der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme weiter verbessert werden.”

Rz. 5

Der 15. Erwägungsgrund der Verordnung lautet:

„Damit die Beweisaufnahme erleichtert wird, sollte es einem Gericht in einem Mitgliedstaat möglich sein, nach seinem Recht in einem anderen Mitgliedstaat mit dessen Zustimmung unmittelbar Beweis zu erheben, wobei die von der Zentralstelle oder der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats festgelegten Bedingungen zu beachten sind.”

Rz. 6

Art. 1 („Anwendungsbereich”) der Verordnung Nr. 1206/2001 bestimmt:

„(1) Diese Verordnung ist in Zivil- oder Handels...

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