Entscheidungsstichwort (Thema)
Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Beweisaufnahme. Zeugenvernehmung durch das ersuchte Gericht auf Antrag des ersuchenden Gerichts. Zeugenentschädigung
Beteiligte
Tenor
Die Art. 14 und 18 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen sind dahin auszulegen, dass ein ersuchendes Gericht nicht verpflichtet ist, dem ersuchten Gericht einen Vorschuss für die Entschädigung eines Zeugen zu zahlen oder die dem vernommenen Zeugen gezahlte Entschädigung zu erstatten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Sąd Rejonowy dla Warszawy Sródmieśscia (Polen) mit Entscheidung vom 17. Juli 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Juli 2009, in dem Verfahren
Artur Werynski
gegen
Mediatel 4B spółka z o.o.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter J.-J. Kasel, A. Borg Barthet und M. Ilešič sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz, M. Arciszewski und A. Siwek als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller als Bevollmächtigten,
- Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von M. Noonan, Barrister,
- der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und K. Herrmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 2. September 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174, S. 1).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Werynski und seiner früheren Arbeitgeberin, der Mediatel 4B spółka z o.o., und dient der Klärung der Frage, ob das ersuchte irische Gericht die Vernehmung eines Zeugen davon abhängig machen kann, dass das ersuchende Gericht eine Zeugenentschädigung zahlt.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1206/2001
Rz. 3
Die Verordnung Nr. 1206/2001 dient der Festlegung von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, die nach Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreichs Dänemark gelten. Sie ersetzt insoweit das am 18. März 1970 in Den Haag geschlossene Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (im Folgenden: Haager Übereinkommen), auf das der sechste Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1206/2001 verweist.
Rz. 4
Nach dem 21. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1206/2001 hat Irland gemäß Art. 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich der Politik betreffend Grenzkontrollen, Asyl und Einwanderung sowie hinsichtlich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchte.
Rz. 5
Die Erwägungsgründe 2, 7, 8, 10, 11 und 16 der Verordnung Nr. 1206/2001 lauten:
„(2) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts sollte die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme verbessert, insbesondere vereinfacht und beschleunigt werden.
…
(7) Da es für eine Entscheidung in einem bei einem Gericht eines Mitgliedstaats anhängigen zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren oft erforderlich ist, in einem anderen Mitgliedstaat Beweis erheben zu lassen, darf sich die Tätigkeit der Gemeinschaft nicht auf den unter die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten [ABl. L 160, S. 37] fallenden Bereich der Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen beschränken. Daher muss die Zusammenarbeit der Gerichte der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme weiter verbessert werden.
(8) Eine effiziente Abwicklung gerichtlicher Verfahren in Zivil- oder Handelssachen setzt voraus, dass die Übermittlung der Ersuchen um Beweisaufnahme und deren Erledigung direkt und auf schnellstmöglichem Wege zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten erfolgt.
…
(10) Ein Ersuche...