Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen. Europäisches Mahnverfahren. Übermittlung eines Zahlungsbefehls zusammen mit dem Antrag auf Erlass des Zahlungsbefehls. Fehlen einer Übersetzung des Antrags auf Erlass des Zahlungsbefehls. Für vollstreckbar erklärter Europäischer Zahlungsbefehl. Antrag auf Überprüfung nach Ablauf der Einspruchsfrist. Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke. Belehrung des Empfängers über sein Annahmeverweigerungsrecht in Bezug auf ein nicht übersetztes verfahrenseinleitendes Schriftstück. Fehlen des Formblatts. Folgen
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1896/2006; Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 Art. 8
Beteiligte
O.K. Trans Praha spol. s r.o |
Tenor
Die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens sowie die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten „Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates sind dahin auszulegen, dass, wenn ein Europäischer Zahlungsbefehl dem Antragsgegner zugestellt wird, ohne dass der ihm beigefügte Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls in einer Sprache abgefasst wurde, von der anzunehmen ist, dass er sie versteht, oder ihm eine Übersetzung in einer solchen Sprache beigefügt wurde, wie es Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1393/2007 verlangt, der Antragsgegner ordnungsgemäß mittels des Formblatts in Anhang II dieser Verordnung von seinem Recht in Kenntnis gesetzt werden muss, die Annahme des in Rede stehenden Schriftstücks zu verweigern.
Im Fall der Nichtbeachtung dieser Förmlichkeit ist das Verfahren gemäß den Bestimmungen der letztgenannten Verordnung dadurch zu berichtigen, dass dem Betroffenen das Formblatt in Anhang II dieser Verordnung übermittelt wird.
In diesem Fall wird wegen des Verfahrensfehlers, der die Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls zusammen mit dem Antrag auf dessen Erlass beeinträchtigt, dieser Zahlungsbefehl nicht vollstreckbar und beginnt die Einspruchsfrist für den Antragsgegner nicht zu laufen, so dass Art. 20 der Verordnung Nr. 1896/2006 keine Anwendung finden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší soud (Oberstes Gericht, Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 30. November 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Januar 2017, in dem Verfahren
Catlin Europe SE
gegen
O.K. Trans Praha spol. s r.o.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der O.K. Trans Praha spol. s r.o., vertreten durch M. Laipold, advokát,
- der griechischen Regierung, vertreten durch V. Karra, A. Dimitrakopoulou, M. Tassopoulou und E. Tsaousi als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Rocchitta, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Šimerdová und M. Heller als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Mai 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. 2006, L 399, S. 1) sowie der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten „Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. 2007, L 324, S. 79).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Catlin Europe SE und der O.K. Trans Praha spol. s r.o. wegen eines Europäischen Mahnverfahrens.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1896/2006
Rz. 3
Art. 7 der Verordnung Nr. 1896/2006 sieht vor:
„(1) Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls ist unter Verwendung des Formblatts A gemäß Anhang I zu stellen.
(2) Der Antrag muss Folgendes beinhalten:
…
d) den Streitgegenstand einschließlich einer Beschreibung des Sachverhalts, der der Hauptforderung und gegebenenfalls der Zinsforderung zugrunde liegt;
e) eine Bezeichnung der Beweise, die zur Begründung der Forderung herangezogen werden;
…”
Rz. 4
Art. 12 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1896/2006 bestimmt...