Entscheidungsstichwort (Thema)

Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit. Gleichbehandlung. Selbständige Grenzgänger. Landpachtvertrag. Agrarstruktur. Regelung eines Mitgliedstaats, nach der der Vertrag beanstandet werden kann, wenn die im nationalen Hoheitsgebiet von Schweizer Landwirten als Grenzgänger erzeugten Produkte zur zollfreien Ausfuhr in die Schweiz bestimmt sind

 

Beteiligte

Graf und Engel

Rico Graf

Rudolf Engel

Landratsamt Waldshut

 

Tenor

Der in Art. 15 Abs. 1 des Anhangs I des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am 21. Juni 1999, niedergelegte Grundsatz der Gleichbehandlung steht einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, nach der die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats einen zwischen einer dort ansässigen Person und einem in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Grenzgänger geschlossenen Landpachtvertrag über ein Grundstück, das in einem bestimmten Bereich des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats gelegen ist, aus dem Grund beanstanden kann, dass das gepachtete Grundstück der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte dient, die zollfrei aus dem Binnenmarkt der Union ausgeführt werden sollen, und dadurch Wettbewerbsverzerrungen entstehen, dann entgegen, wenn diese Regelung in ihrer Anwendung eine erheblich größere Zahl von Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaats berührt als Staatsangehörige des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet diese Regelung gilt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies zutrifft.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Waldshut-Tiengen (Deutschland) mit Entscheidung vom 22. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Oktober 2010, in dem Verfahren

gegen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und J. Malenovský,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Engel, vertreten durch Rechtsanwalt H. Hanschmann,
  • des Landratsamts Waldshut, vertreten durch Rechtsanwalt M. Núñez-Müller,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, unterzeichnet in Luxemburg am 21. Juni 1999 (ABl. 2002, L 114, S. 6, im Folgenden: Abkommen).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Graf, einem Schweizer Staatsangehörigen, und Herrn Engels, einem deutschen Staatsangehörigen, einerseits und dem Landratsamt Waldshut andererseits über dessen Weigerung, den zwischen den beiden Erstgenannten geschlossenen Landpachtvertrag nach den geltenden Rechtsvorschriften zu genehmigen.

Rechtlicher Rahmen

Abkommen

Rz. 3

Nach Art. 1 Buchst. a und d des Abkommens besteht dessen Ziel u. a. in der Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien und der Einräumung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Rz. 4

Art. 2 („Nichtdiskriminierung”) bestimmt:

„Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, werden bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert.”

Rz. 5

In Art. 7 („Sonstige Rechte”) heißt es:

„Die Vertragsparteien regeln insbesondere die folgenden mit der Freizügigkeit zusammenhängenden Rechte gemäß Anhang I:

  1. Recht auf Gleichbehandlung mit den Inländern in Bezug auf den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit und deren Ausübung sowie auf die Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen;

…”

Rz. 6

Art. 13 („Stand still”) sieht vor:

„Die Vertragsparteien verpflichten sich, in den unter dieses Abkommen fallenden Bereichen keine neuen Beschränkungen für Staatsangehörige der anderen Vertragspartei einzuführen.”

Rz. 7

Art. 16 („Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht”) lautet:

  1. „Zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens treffen die Vertra...

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