Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des Kartells. Zwischen mehreren Banken getroffene Vereinbarung. Konkurrierendes Unternehmen, das auf dem relevanten Markt angeblich illegal tätig ist. Erheblichkeit. Fehlen
Beteiligte
Protimonopolný úrad Slovenskej republiky |
Slovenská sporitel'ňa a.s |
Tenor
1. Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass ein Unternehmen, das durch eine Kartellabsprache, die eine Wettbewerbseinschränkung bezweckt, benachteiligt ist, zum Zeitpunkt dieser Absprache angeblich illegal auf dem relevanten Markt tätig war, für die Frage unerheblich ist, ob diese Absprache eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmung darstellt.
2. Art. 101 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass es für die Bejahung des Vorliegens einer den Wettbewerb beschränkenden Vereinbarung nicht notwendig ist, das persönliche Handeln des satzungsgemäßen Vertreters eines Unternehmens oder die in Form einer Vollmacht erteilte persönliche Zustimmung dieses Vertreters zum Handeln eines seiner Mitarbeiter, der an einem wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen hat, nachzuweisen.
3. Art. 101 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass er auf eine nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotene Vereinbarung nur dann anwendbar ist, wenn das Unternehmen, das sich auf diese Bestimmung stützt, nachgewiesen hat, dass die vier kumulativen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfüllt sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Najvyšší súd Slovenskej republiky (Slowakei) mit Entscheidung vom 10. Januar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Februar 2012, in dem Verfahren
Protimonopolný úrad Slovenskej republiky
gegen
Slovenská sporitel'ňa a.s.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter) sowie der Richter E. Juhász und C. Vajda,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Protimonopolný úrad Slovenskej republiky, vertreten durch T. Menyhart als Bevollmächtigten,
- der Slovenská sporitel'ňa a.s., vertreten durch M. Nedelka, advokát,
- der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und T. Müller als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und B. Majczyna als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Tokár, P. Van Nuffel und N. von Lingen als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 101 AEUV.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Protimonopolný úrad Slovenskej republiky (Kartellamt der Slowakischen Republik, im Folgenden: Protimonopolný úrad) und der Slovenská sporitel'ňa a.s. (im Folgenden: Slovenská sporitel'ňa) über das Verhalten dreier Banken, bei dem es sich nach Ansicht dieses Amts um eine Vereinbarung zur Einschränkung des Wettbewerbs handelt.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In der Slowakei gilt im Bereich des Wettbewerbs das Gesetz Nr. 136/2001 über den Wettbewerbsschutz.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 4
Mit Entscheidung vom 9. Juni 2009 stellte der Protimonopolný úrad Slovenskej republiky, odbor dohôd obmedzujúcich sút'až (Abteilung Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen des Kartellamts der Slowakischen Republik, im Folgenden: Abteilung), eine im Bereich des Wettbewerbsschutzes zuständige erstinstanzliche Behörde, fest, dass drei bedeutende Banken mit Sitz in Bratislava (Slowakei), nämlich die Slovenská sporitel'ňa a.s., die Československá obchodná banka a.s. und die Všeobecná úverová banka a.s., gegen Art. 81 EG sowie gegen die entsprechende Bestimmung des Gesetzes Nr. 136/2001 verstoßen hätten, indem sie eine Vereinbarung darüber getroffen hätten, Verträge über die Kontokorrentkonten der Akcenta CZ a.s. (im Folgenden: Akcenta), eine Gesellschaft mit Sitz in Prag (Tschechische Republik), aufzulösen und keine neuen Verträge mit dieser Gesellschaft zu schließen. Die Abteilung war der Ansicht, dass Akcenta, die kein Kreditinstitut sei und Dienstleistungen erbringe, die in Devisengeschäften bestünden, Kontokorrentkonten bei Banken benötige, um ihre Tätigkeiten auszuüben, zu denen der Transfer von Devisen aus dem und in das Ausland auch für ihre Kunden in der Slowakei zähle. Der Abteilung zufolge überwachten die drei betreffenden Banken, die Akcenta für eine Wettbewerberin hielten, die ihren Kunden gegenüber Dienstleistungen erbrachte, und mit der sich aus der Tätigkeit dieser Gesellschaft ergebenden Verringerung ihres Gewinns unzufrieden waren, diese Tätigkeit, stimmten sich ab und beschlossen gemeinsam, die Verträge mit dieser ...