Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Haushaltssparmaßnahmen. Kürzung der Bezüge im nationalen öffentlichen Dienst. Modalitäten. Unterschiedliche Auswirkungen. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Richterliche Unabhängigkeit
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1; EUV Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 21; Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. b
Beteiligte
Tenor
1. Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen, einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegenstehen, mit der im Rahmen allgemeiner Gehaltskürzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Vorgaben zum Abbau eines übermäßigen Haushaltsdefizits unterschiedliche Kürzungsprozentsätze für die Grundbezüge und die Zulagen der Angehörigen der Richterschaft festgesetzt wurden, was sich dem vorlegenden Gericht zufolge dahin ausgewirkt hat, dass die Bezüge von Richtern, die zwei Besoldungsgruppen der unteren Richterkategorien angehören, prozentual stärker gekürzt wurden als die Bezüge von Richtern, die einer Besoldungsgruppe einer höheren Richterkategorie angehören, obwohl Erstere im Vergleich zu Letzteren niedrigere Bezüge erhalten, im Allgemeinen jünger sind und in der Regel ein geringeres Dienstalter haben.
2. Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist dahin auszulegen, dass der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit der Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, mit der im Rahmen allgemeiner Gehaltskürzungsmaßnahmen im Zusammenhang mit Vorgaben zum Abbau eines übermäßigen Haushaltsdefizits ohne Rücksicht auf die Art der ausgeübten Funktionen, das Dienstalter oder die Bedeutung der wahrgenommenen Aufgaben unterschiedliche Kürzungsprozentsätze für die Grundbezüge und die Zulagen der Angehörigen der Richterschaft festgesetzt wurden, was sich dem vorlegenden Gericht zufolge dahin ausgewirkt hat, dass die Bezüge von Richtern, die zwei Besoldungsgruppen der unteren Richterkategorien angehören, prozentual stärker gekürzt wurden als die Bezüge von Richtern, die einer Besoldungsgruppe einer höheren Richterkategorie angehören, obwohl Erstere im Vergleich zu Letzteren niedrigere Bezüge erhalten, auf den Kläger des Ausgangsverfahrens dann nicht entgegensteht, wenn dieser nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Gehaltskürzung noch Bezüge in einer Höhe erhält, die der Bedeutung der von ihm ausgeübten Funktionen entspricht und damit die Unabhängigkeit seines Urteils gewährleistet, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Catalunya (Oberstes Gericht von Katalonien, Spanien) mit Entscheidung vom 28. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Januar 2018, in dem Verfahren
Carlos Escribano Vindel
gegen
Ministerio de Justicia
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev (Berichterstatter), des Richters E. Levits, der Richterin M. Berger sowie der Richter C. Vajda und P. G. Xuereb,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Escribano Vindel, vertreten durch sich selbst,
- der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. García-Valdecasas Dorrego und A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Flynn, H. Krämer und J. Baquero Cruz als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Carlos Escribano Vindel und dem Ministerio de Justicia (Justizministerium, Spanien) über die Kürzung seiner Bezüge im Zusammenhang mit der Haushaltspolitik des spanischen Staates.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuelle...