Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Richterliche Unabhängigkeit. Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters. Auslegung, die für den Erlass des Urteils durch das vorlegende Gericht erforderlich ist. Fehlen. Offensichtliche Unzulässigkeit
Normenkette
AEUV Art. 267; Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 53 Abs. 2; EUV Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; Richtlinie 2000/78/EG
Beteiligte
Bundesrepublik Deutschland |
Tenor
Das vom Verwaltungsgericht Gießen (Deutschland) mit Beschluss vom 19. Mai 2023 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist offensichtlich unzulässig.
Tatbestand
In der Rechtssache C-333/23 [Habonov](
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Gießen (Deutschland) mit Beschluss vom 19. Mai 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Mai 2023, in dem Verfahren
GM
gegen
Bundesrepublik Deutschland
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters J.-C. Bonichot (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV, Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie der Art. 2, 3 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen GM, einem russischen Staatsangehörigen, und der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (im Folgenden: BAMF), wegen eines Bescheids, mit dem das BAMF den Antrag von GM auf internationalen Schutz für unzulässig erklärte, seine Abschiebung nach Kroatien anordnete und gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot verhängte.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 3
Am 19. Dezember 2022 reiste GM nach Deutschland ein und stellte dort zehn Tage später einen Asylantrag.
Rz. 4
Die Abfrage der „Eurodac“-Datenbank ergab, dass GM bereits in Kroatien einen Asylantrag gestellt und bei dieser Gelegenheit seine Fingerabdrücke bei den kroatischen Polizeibehörden abgegeben hatte. GM bestätigte gegenüber den deutschen Behörden, dass er einen Asylantrag in Kroatien gestellt habe, und erklärte, dass er dort unmenschlich behandelt und gezwungen worden sei, seine Fingerabdrücke abzugeben. Er wolle in Deutschland bleiben.
Rz. 5
Auf ein Übernahmeersuchen hin erklärten sich die kroatischen Behörden gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31), für die Bearbeitung des Asylantrags von GM für zuständig.
Rz. 6
Mit Bescheid vom 20. März 2023 wies das BAMF den von GM in Deutschland gestellten Asylantrag als unzulässig ab, ordnete seine Abschiebung nach Kroatien an und verhängte gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot. Es stellte fest, dass die Republik Kroatien für die Bearbeitung des Asylantrags von GM zuständig sei und das Asylverfahren sowie die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in diesem Mitgliedstaat keine systemischen Schwachstellen aufwiesen.
Rz. 7
Am 5. April 2023 erhob GM gegen diesen Bescheid Klage beim vorlegenden Gericht, dem Verwaltungsgericht Gießen (Deutschland).
Rz. 8
Dieses ist der Auffassung, dass es, bevor es die Rechtmäßigkeit dieses Bescheids kontrollieren könne, prüfen müsse, ob es unter Berücksichtigung der deutschen Regelung zur Richterbesoldung den Vorgaben genüge, die sich aus dem Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen sowie aus dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht ergäben.
Rz. 9
Das vorlegende Gericht beruft sich auf die Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (C-64/16, EU:C:2018:117), und vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel (C-49/18, EU:C:2019:106), in denen der Gerichtshof entschieden habe, dass eine Vergütung der nationalen Richter, die der Bedeutung der ausgeübten Funktionen entspreche, eine wesentliche Garantie für ihre Unabhängigkeit darstelle. Daraus folge, dass jedes nationale Gericht berechtigt sei, den Gerichtshof zur Vereinbarkeit der nationalen Regelung über die Richterbesoldung mit dem Unionsrecht zu befragen.
Rz. 10
Vorliegend bezweifelt das dem Land Hessen (Deutsc...