Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Begriff ‚Gericht’. Vorrang des Unionsrechts. Tatsächlicher und rechtlicher Zusammenhang des Ausgangsrechtsstreits. Gründe, aus denen sich die Notwendigkeit einer Antwort auf die Vorlagefrage ergibt. Keine hinreichenden Angaben. Offensichtliche Unzulässigkeit
Normenkette
AEUV Art. 267; Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 53 Abs. 2, Art. 94
Beteiligte
Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf |
Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf |
Tenor
Das vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 29. Juni 2020 eingereichte Vorabentscheidungsersuchen ist offensichtlich unzulässig.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Österreich) mit Entscheidung vom 29. Juni 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Juli 2020, in den Verfahren
A,
M
gegen
Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf,
Beteiligter:
Finanzamt Kirchdorf-Perg-Steyr,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič sowie der Richter E. Juhász und I. Jarukaitis (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 267 AEUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und mit Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) sowie des Grundsatzes des Vorrangs des Unionsrechts.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten, die im Ausgangsverfahren verbunden wurden, nämlich zwischen A bzw. M, zwei natürlichen Personen, und der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf (Österreich) über Straferkenntnisse, mit denen diese Behörde wegen Verstößen gegen die nationale Regelung über Glücksspiel Geldstrafen über sie verhängt hatte.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs bestimmt:
„Das Vorabentscheidungsersuchen muss außer den dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen enthalten:
- eine kurze Darstellung des Streitgegenstands und des maßgeblichen Sachverhalts, wie er vom vorlegenden Gericht festgestellt worden ist, oder zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen;
- den Wortlaut der möglicherweise auf den Fall anwendbaren nationalen Vorschriften und gegebenenfalls die einschlägige nationale Rechtsprechung;
- eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt.”
Österreichisches Recht
Glücksspielgesetz
Rz. 4
§ 2 Abs. 4 des Glücksspielgesetzes vom 28. November 1989 (BGBl. Nr. 620/1989) (im Folgenden: GSpG) bestimmt in der auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung:
„Verbotene Ausspielungen sind Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde …”
Rz. 5
§ 52 Abs. 1 GSpG sieht vor:
„Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro … zu bestrafen,
1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen … veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer … daran beteiligt;
…”
Verwaltungsgerichtshofgesetz
Rz. 6
§ 63 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (BGBl. Nr. 10/1985) (im Folgenden: VwGG) lautet in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung:
„Wenn der Verwaltungsgerichtshof [(Österreich)] einer Revision stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.”
Verfassungsgerichtshofgesetz
Rz. 7
§ 87 Abs. 2 des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1953 (BGBl. Nr. 85/1953) lautet in seiner auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung:
„Wenn der Verfassungsgerichtshof [(Österreich)] einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.”
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rz. 8
Bei einer Kontrolle in einem Gastgewerbebetrieb, dessen Inhaber A ist, wurde ein Glücksspielautomat, der ohne die nach dem GSpG erforderliche behördliche ...