Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Erfordernis der Angabe der Gründe, aus denen sich die Notwendigkeit einer Antwort auf die vorgelegten Fragen ergibt. Keine hinreichenden Angaben. Offensichtliche Unzulässigkeit

 

Normenkette

Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 53 Abs. 2, Art. 94

 

Beteiligte

Finanzamt Österreich

CM

Finanzamt Österreich

 

Tenor

Das vom Bundesfinanzgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 31. Dezember 2021 vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen ist offensichtlich unzulässig.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 31. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2022, in dem Verfahren

CM

gegen

Finanzamt Österreich, vormals Finanzamt für den 2., 20., 21. und 22. Bezirk in Wien,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Passer, des Richters N. Wahl und der Richterin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin),

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1) sowie von Art. 18 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen CM und dem Finanzamt Österreich, vormals Finanzamt für den 2., 20., 21. und 22. Bezirk in Wien (Österreich) (im Folgenden: Finanzamt), weil dieses CM die Gewährung der Familienbeihilfe mit der Begründung versagt hat, dass drittstaatsangehörige Mitarbeiter internationaler Organisationen wie CM keinen Anspruch darauf hätten.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Rz. 3

Das International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) (Internationales Zentrum für Migrationspolitikentwicklung) mit Sitz in Wien (Österreich) wurde durch ein internationales Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft im Jahr 1993 gegründet.

Rz. 4

Art. 14 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Internationalen Zentrum für Migrationspolitikentwicklung (ICMPD) über den Amtssitz des Internationalen Zentrums für Migrationspolitikentwicklung vom 5. September 2000 (BGBl. III 145/2000) (im Folgenden: Amtssitzabkommen) sieht vor:

„Die Angestellten des [ICMPD] sowie deren im gemeinsamen Haushalt lebende Familienmitglieder, auf die sich das Abkommen bezieht, sind von den Leistungen aus dem Ausgleichfonds für Familienbeihilfen oder einer Einrichtung mit gleichartigen Funktionen ausgeschlossen, sofern diese Personen weder österreichische Staatsbürger sind noch ihren ständigen Wohnsitz in Österreich haben.”

Unionsrecht

Verfahrensordnung des Gerichtshofs

Rz. 5

Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs bestimmt:

„Das Vorabentscheidungsersuchen muss außer den dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen enthalten:

  1. eine kurze Darstellung des Streitgegenstands und des maßgeblichen Sachverhalts, wie er vom vorlegenden Gericht festgestellt worden ist, oder zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen;
  2. den Wortlaut der möglicherweise auf den Fall anwendbaren nationalen Vorschriften und gegebenenfalls die einschlägige nationale Rechtsprechung;
  3. eine Darstellung der Gründe, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt.”

Verordnung Nr. 883/2004

Rz. 6

In Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich”) Abs. 1 der Verordnung Nr. 883/2004 heißt es:

„Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.”

Rz. 7

Art. 67 („Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen”) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

„Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.”

Rz. 8

Art. 68 der Verordnung Nr. 883/2004 enthält die Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten.

Österreichisches Recht

Rz. 9

§ 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend den Familienlastenausgleich durch Bei...

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