Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Missbräuchliche Klauseln. Geltungsbereich. Forderungsabtretung. Mit einem Verbraucher geschlossener Darlehensvertrag. Beurteilungskriterien für die Missbräuchlichkeit einer den Satz der Verzugszinsen betreffenden Klausel dieses Vertrags. Folgen der Missbräuchlichkeit
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG
Beteiligte
Rafael Ramón Escobedo Cortés |
Tenor
1. Die Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass sie nicht für eine Geschäftspraxis gilt, die darin besteht, eine Forderung gegen einen Verbraucher abzutreten oder zu kaufen, ohne dass die Möglichkeit einer solchen Abtretung in dem mit dem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrag vorgesehen ist, ohne dass der Verbraucher vorab über die Abtretung informiert wird oder ihr zustimmt und ohne dass ihm die Möglichkeit gegeben wird, seine Verbindlichkeit zurückzukaufen und somit zu tilgen, indem er dem Zessionar den von diesem für die Abtretung entrichteten Preis zuzüglich Auslagen, Zinsen und Verfahrenskosten erstattet. Die Richtlinie gilt auch nicht für nationale Bestimmungen wie Art. 1535 des Código Civil (Zivilgesetzbuch) sowie die Art. 17 und 540 der Ley 1/2000 de Enjuiciamiento Civil (Gesetz 1/2000 über den Zivilprozess) vom 7. Januar 2000, die eine solche Möglichkeit zum Rückkauf und die Ersetzung des Zedenten durch den Zessionar in laufenden Verfahren regeln.
2. Die Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsprechung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) nicht entgegensteht, nach der eine nicht ausgehandelte Klausel eines mit einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrags, die den anwendbaren Satz der Verzugszinsen festlegt, missbräuchlich ist, weil sie dem in Zahlungsverzug befindlichen Verbraucher einen unverhältnismäßig hohen Entschädigungsbetrag auferlegt, wenn dieser Zinssatz den Satz der vertraglich vorgesehenen Darlehenszinsen um mehr als zwei Prozentpunkte übersteigt.
3. Die Richtlinie 93/13 ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsprechung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsprechung des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) nicht entgegensteht, wonach die Folge der Missbräuchlichkeit einer nicht ausgehandelten Klausel in einem mit einem Verbraucher geschlossenen Darlehensvertrag, die den Satz der Verzugszinsen festsetzt, im gänzlichen Wegfall dieser Zinsen besteht, während die vertraglich vorgesehenen Darlehenszinsen weiterhin anfallen.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de Primera Instancia n° 38 de Barcelona (Gericht erster Instanz Nr. 38 von Barcelona, Spanien) mit Entscheidung vom 2. Februar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Februar 2016, und vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien, im Folgenden: Tribunal Supremo) mit Entscheidung vom 22. Februar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Februar 2017, in den Verfahren
Banco SantanderSA
gegen
Mahamadou Demba,
Mercedes Godoy Bonet (C-96/16)
und
Rafael Ramón Escobedo Cortés
gegen
Banco de Sabadell SA (C-94/17)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs A. Tizzano (Berichterstatter) sowie der Richter E. Levits, A. Borg Barthet und F. Biltgen,
Generalanwalt: N. Wahl,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Banco Santander SA, vertreten durch A. M. Rodríguez Conde und J. M. Rodríguez Cárcamo, abogados,
- der Banco de Sabadell SA, vertreten durch A. M. Rodríguez Conde und J. M. Rodríguez Cárcamo, abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch V. Ester Casas als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz, N. Ruiz García, M. van Beek und A. Cleenewerck de Crayencour als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. März 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Banco Santander SA auf der einen und Frau Mercedes Godoy Bonet und Herrn Mahamadou Demba auf der anderen Seite (C-96/16) sowie zwischen Herrn Rafael Ramón Escobedo Cortés und der Banco de Sabadell SA (C-94/17) wegen der Abwicklung von den genannten Parteien geschlossener Darlehensverträge.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Im 13. ...