Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurkundung der Übertragung von Gesellschaftsanteilen. Pauschalierung der Gebühren nach dem Wert der Anteile. Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital. Richtlinie 69/335/EWG. Übertragung von Anteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Leitsatz (amtlich)
Eine nationale Regelung, wonach für die Beurkundung einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die nicht mit einer Erhöhung des Gesellschaftskapitals verbunden ist, pauschal und/oder nach dem Wert der übertragenen Anteile bestimmte Gebühren erhoben werden, verstößt nicht gegen die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung.
Normenkette
EWGRL 335/69
Beteiligte
Organon Portuguesa Produtos Químicos e Farmacêuticos Lda |
Verfahrensgang
Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) (Entscheidung vom 17.03.2004; Abl.EU 2004, Nr. C 156/9) |
Tatbestand
„Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital ‐ Richtlinie 69/335/EWG ‐ Übertragung von Anteilen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung “
In der Rechtssache C-193/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 17. März 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 26. April 2004, in dem Verfahren
Fazenda Pública
gegen
Organon Portuguesa ‐ Produtos Químicos e Farmacêuticos Lda,
Beteiligter:
Ministério Público,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, E. Juhász (Berichterstatter) und E. Levits,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen:
‐ der Organon Portuguesa ‐ Produtos Químicos e Farmacêuticos Lda, vertreten durch I. Vieira, advogada,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und A. F. Ferreira als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann als Bevollmächtigte,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch F. Díez Moreno als Bevollmächtigten,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Ström, G. Braga da Cruz und M. Afonso als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 4 Absatz 3, 10 Buchstabe c und 12 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 69/335).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fazenda Pública (Staatskasse) und der Organon Portuguesa ‐ Produtos Químicos e Farmacêuticos Lda (im Folgenden: Organon Portuguesa) wegen der Zahlung von Gebühren für die notarielle Beurkundung einer Übertragung von Gesellschaftsanteilen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Die erste Begründungserwägung der Richtlinie 69/335 verweist auf das Ziel des EWG-Vertrags, einen freien Kapitalverkehr zu fördern, um eine Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt zu schaffen.
4 In der zweiten Begründungserwägung der Richtlinie 69/335 wird festgestellt, dass die in den Mitgliedstaaten bestehenden indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital Ursache von Diskriminierungen, Doppelbesteuerungen und Unterschiedlichkeiten sind, die den freien Kapitalverkehr behindern und durch eine Harmonisierung beseitigt werden sollen.
5 In der sechsten und siebten Begründungserwägung der Richtlinie 69/335 wird es dazu als notwendig bezeichnet, auf Ansammlungen von Kapital eine Steuer anzuwenden, die innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur einmal erhoben werden kann und die in allen Mitgliedstaaten gleich hoch und hinsichtlich ihrer Struktur und ihrer Sätze harmonisiert ist. Die achte Begründungserwägung dieser Richtlinie sieht schließlich die Abschaffung aller anderen indirekten Steuern mit den gleichen Merkmalen wie die einheitliche Gesellschaftsteuer vor.
6 Nach Artikel 1 der Richtlinie 69/335 „[erheben d]ie Mitgliedstaaten … eine … harmonisierte Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften …“
7 Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 69/335 legt die Liste der Vorgänge fest, die der Gesellschaftsteuer unterliegen. Diese Vorgänge betreffen im Wesentlichen entweder die Gründung einer Kapitalgesellschaft im Sinne dieser Richtlinie oder die Erhöhung des Kapitals einer solchen Gesellschaft. Absatz 3 dieses Artikels lautet:
„Als Gründung im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a) gelten nicht Änderungen gleich welcher Art de...