Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verkehr. Gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Über mehrere Teilstrecken durchgeführter Flug. Zugrunde zu legender Entfernungsbegriff
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 7 Abs. 1
Beteiligte
Tenor
Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Entfernung” im Fall von Flugverbindungen mit Anschlussflügen nur die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel umfasst, die nach der Großkreismethode zu ermitteln ist, unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 4. Oktober 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2016, in dem Verfahren
Birgit Bossen,
Anja Bossen,
Gudula Gräßmann
gegen
Brussels Airlines SA/NV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter) und M. Safjan,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von B. Bossen, A. Bossen und G. Gräßmann, vertreten durch F. Puschkarski, Rechtsanwältin,
- der Brussels Airlines SA/NV, vertreten durch D. Smielick, Rechtsanwalt,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier und M.-L. Kitamura als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Garofoli, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Birgit Bossen, Frau Anja Bossen und Frau Gudula Gräßmann einerseits und der Brussels Airlines SA/NV andererseits wegen der Höhe der Ausgleichszahlung, die Ersteren aufgrund der bei einem Flug dieser Fluggesellschaft eingetretenen großen Verspätung zu zahlen ist.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Art. 2 „Begriffsbestimmungen”) Buchst. h der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
h) ‚Endziel’ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird”.
Rz. 4
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung sieht vor:
„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
…
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.”
Rz. 5
Art. 6 der Verordnung lautet:
„Verspätung
(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug
- bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger um zwei Stunden oder mehr oder
- bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km um drei Stunden oder mehr...