Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verursacherprinzip. Gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt. Diskriminierungsverbot. Finanzierung des Tarifdefizits. Steuern, denen ausschließlich Unternehmen unterliegen, die zur Stromerzeugung Kernenergie nutzen
Normenkette
Richtlinie 2009/72/EG Art. 3 Abs. 1 und 2
Beteiligte
Asociación Española de la Industria Eléctrica (UNESA) |
Iberdrola Generación Nuclear SAU |
Administración General del Estado |
Iberdrola Generación Nuclear SAU |
Administración General del Estado |
Tenor
1. Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG ist dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, mit der Steuern auf den Anfall und die Lagerung abgebrannter Brennelemente und nuklearer Abfälle wie die in den Ausgangsverfahren streitgegenständlichen Kernenergiesteuern eingeführt werden, die ausschließlich von Erzeugern von Strom aus Kernkraft erhoben werden und deren Hauptzweck nicht im Schutz der Umwelt besteht, sondern darin, die Einnahmen im Finanzsystem des Stromsektors zu erhöhen.
2. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 ist dahin auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie den in den Ausgangsverfahren streitgegenständlichen nicht entgegensteht, wenn das Umweltschutzziel und die charakteristischen Merkmale der Umweltschutzabgaben in dem Teil dieser Rechtsvorschriften, der Regelungswirkung hat, nicht konkretisiert sind.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen
betreffend vier Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidungen vom 27. Juni 2017 sowie vom 10. und 18. Juli 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Februar 2018 und am 7. Februar 2018, in den Verfahren
Asociación Española de la Industria Eléctrica (UNESA) (C-80/18),
Endesa GeneraciónSA (C-82/18)
gegen
Administración General del Estado,
Iberdrola Generación Nuclear SAU (C-80/18 und C-82/18)
und
Endesa GeneraciónSA (C-81/18),
Iberdrola Generación Nuclear SAU (C-83/18)
gegen
Administración General del Estado (C-81/18 und C-83/18)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Asociación Española de la Industria Eléctrica (UNESA), vertreten durch J. C. García Muñoz und J. M. Mohedano Fuertes, abogados, im Beistand von M. C. Villaescusa Sanz, procuradora,
- der Endesa Generación SA, vertreten durch J. L. Buendía Sierra, F. J. López Villalta y Peinado, E. Gardeta González, J. M. Cobos Gómez und A. Lamadrid de Pablo, abogados,
- der Iberdrola Generación Nuclear SAU, vertreten durch J. Ruiz Calzado, J. Domínguez Pérez und L. Cazorla Prieto, abogados, im Beistand von J. L. Martín Jaureguibeitia, procurador,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und V. Ester Casas als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet, S. Pardo Quintillán und C. Hermes als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Mai 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 191 Abs. 2 AEUV, Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55), der Art. 3 und 5 der Richtlinie 2005/89/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Januar 2006 über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und von Infrastrukturinvestitionen (ABl. 2006, L 33, S. 22) sowie der Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen zum einen der Asociación Española de la Industria Eléctrica (UNESA) und der Endesa Generación SA einerseits und der Iberdrola Generación Nuclear SAU und der Administración General del Estado (Allgemeine Staatsverwaltung, Spanien) andererseits und zum anderen zwischen Endesa Generación und Iberdrola Generación Nuclear einerseits und der Allgemeinen Staatsverwaltung andererseits betreffend die Rechtmäßigkeit von Steuern auf den Anfall abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle aus der Erzeugung von Nuklearstrom sowie auf die Lagerung solcher Brennelemente und Abfälle in zentralen Anlagen (im Folgenden: Kernenergiesteuern).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2005/89
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2005/89 sah vor:
„(1...