Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wirtschafts- und Währungspolitik. Aufsicht über Kreditinstitute. Verordnung (EU) Nr. 1024/2013. Der Europäischen Zentralbank (EZB) übertragene besondere Aufsichtsaufgaben. Entzug der Zulassung. Nichtigkeitsklage. Unzulässigkeit. Vertretung einer Partei. Dem Anwalt erteilte Vollmacht. Nicht ordnungsgemäß bevollmächtigter Vertreter
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1024/2013
Beteiligte
Tenor
1.Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 2. Februar 2022, Pilatus Bank und Pilatus Holding/EZB (T-27/19, EU:T:2022:46), wird aufgehoben.
2.Die in der Rechtssache T-27/19 erhobene Klage wird als unzulässig abgewiesen.
3.Die Pilatus Bank plc trägt neben ihren eigenen Kosten die der Europäischen Zentralbank (EZB) im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.
4.Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren.
Tatbestand
In der Rechtssache C-256/22 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 12. April 2022,
Pilatus Bank plcmit Sitz in Ta’Xbiex (Malta), vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Pilatus Holding ltd.,
Klägerin im ersten Rechtszug,
Europäische Zentralbank (EZB),vertreten durch M. Puidokas und E. Yoo als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
Europäische Kommission,zunächst vertreten durch A. Nijenhuis, A. Steiblytė und D. Triantafyllou, dann durch A. Steiblytė und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Mai 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Pilatus Bank plc die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 2. Februar 2022, Pilatus Bank und Pilatus Holding/EZB (T-27/19, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2022:46), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 2. November 2018, ihr die Zulassung zur Aufnahme der Tätigkeit eines Kreditinstituts zu entziehen (im Folgenden: streitiger Beschluss), abgewiesen wurde.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 2
Art. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) legt die der EZB übertragenen Aufgaben fest und bestimmt in Abs. 1 Buchst. a:
„Im Rahmen des Artikels 6 ist die EZB im Einklang mit Absatz 3 ausschließlich für die Wahrnehmung der folgenden Aufgaben zur Beaufsichtigung sämtlicher in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute zuständig:
a) Zulassung von Kreditinstituten und Entzug der Zulassung von Kreditinstituten vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 14“.
Rz. 3
In Art. 6 („Zusammenarbeit innerhalb des einheitlichen Aufsichtsmechanismus“) der Verordnung heißt es:
„(1) Die EZB nimmt ihre Aufgaben innerhalb eines einheitlichen Aufsichtsmechanismus wahr, der aus der EZB und den nationalen zuständigen Behörden besteht. Die EZB ist dafür verantwortlich, dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus wirksam und einheitlich funktioniert.
…
(4) In Bezug auf die Aufgaben nach Artikel 4 – mit Ausnahme von Absatz 1 Buchstaben a und c – haben die EZB die Zuständigkeiten gemäß Absatz 5 dieses Artikels und die nationalen zuständigen Behörden die Zuständigkeiten gemäß Absatz 6 dieses Artikels – innerhalb des in Absatz 7 dieses Artikels festgelegten Rahmenwerks und vorbehaltlich der darin festgelegten Verfahren – für die Beaufsichtigung folgender Kreditinstitute, Finanzholdinggesellschaften oder gemischter Finanzholdinggesellschaften oder in teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Zweigstellen von in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten:
- – auf konsolidierter Basis weniger bedeutende Institute, Gruppen oder Zweigstellen, wenn die oberste Konsolidierungsebene in den teilnehmenden Mitgliedstaaten liegt, oder einzeln im speziellen Fall von in teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Zweigstellen von in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstituten. Die Bedeutung wird anhand folgender Kriterien bestimmt:
i) Größe
ii) Relevanz für die Wirtschaft der Union oder eines teilnehmenden Mitgliedstaats
iii) Bedeutung der grenzüberschreitenden Tätigkeiten.
Sofern nicht durch besondere Umstände, die in der Methodik zu benennen sind, gerechtfertigt, gilt in Bezug auf Unterabsatz 1 ein Kreditinstitut, eine Finanzholdinggesellschaft oder eine gemischte Finanzholdinggesellschaft ...