Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Wirtschafts- und Währungspolitik. Aufsicht über Kreditinstitute. Personal der Europäischen Zentralbank (EZB). Beaufsichtigung eines Kreditinstituts unmittelbar durch die EZB. Voraussetzungen. Nichtigkeitsklage. Unzulässigkeit. Vertretung einer Partei. Dem Anwalt erteilte Vollmacht. Nicht ordnungsgemäß bevollmächtigter Vertreter
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 Art. 6 Abs. 5 Buchst. b
Beteiligte
Tenor
1.Der Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 24. September 2021, Pilatus Bank/EZB (T-139/19, EU:T:2021:623), wird aufgehoben.
2.Die in der Rechtssache T-139/19 erhobene Klage wird als unzulässig abgewiesen.
3.Die Pilatus Bank plc trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache C-750/21 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 6. Dezember 2021,
Pilatus Bank plcmit Sitz in Ta’Xbiex (Malta), vertreten durch Rechtsanwalt O. Behrends,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Europäische Zentralbank (EZB),vertreten durch E. Koupepidou, M. Puidokas und E. Yoo als Bevollmächtigte,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter) und J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. Mai 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Pilatus Bank plc die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 24. September 2021, Pilatus Bank/EZB (T-139/19, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2021:623), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB) vom 21. Dezember 2018 abgewiesen wurde, mit dem diese ihr per E-Mail mitgeteilt hat, dass die EZB nicht mehr dafür zuständig sei, die direkte Aufsicht über sie auszuüben und sie betreffende Maßnahmen zu ergreifen (im Folgenden: streitige E-Mail).
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EU)Nr.1024/2013
Rz. 2
Art. 1 („Gegenstand und Geltungsbereich“) der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15. Oktober 2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank (ABl. 2013, L 287, S. 63) bestimmt:
„Durch diese Verordnung werden der EZB mit voller Rücksichtnahme auf und unter Wahrung der Sorgfaltspflicht für die Einheit und Integrität des Binnenmarkts auf der Grundlage der Gleichbehandlung der Kreditinstitute mit dem Ziel, Aufsichtsarbitrage zu verhindern, besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute übertragen, um einen Beitrag zur Sicherheit und Solidität von Kreditinstituten sowie zur Stabilität des Finanzsystems in der Union und jedem einzelnen Mitgliedstaat zu leisten.
…“
Rz. 3
In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Abs. 2 und 3 dieser Verordnung heißt es:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
2. ‚nationale zuständige Behörde‘ eine nationale zuständige Behörde, die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen [und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. 2013, L 176, S. 1)] und der Richtlinie 2013/36/EU [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. 2013, L 176, S. 338)] benannt worden ist;
3. ‚Kreditinstitut‘ ein Kreditinstitut im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013“.
Rz. 4
Art. 4 der Verordnung definiert die der EZB übertragenen Aufgaben und bestimmt in Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Unterabs. 1:
„(1) Im Rahmen des Artikels 6 ist die EZB im Einklang mit Absatz 3 ausschließlich für die Wahrnehmung der folgenden Aufgaben zur Beaufsichtigung sämtlicher in den teilnehmenden Mitgliedstaaten niedergelassenen Kreditinstitute zuständig:
a) Zulassung von Kreditinstituten und Entzug der Zulassung von Kreditinstituten vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 14;
…
(3) Zur Wahrnehmung der ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben und mit dem Ziel, hohe Aufsichtsstandards zu gewährleisten, wendet die EZB das einschlägige Unionsrecht an, und wenn dieses Unionsrecht aus Richtlinien besteht, wendet sie die nationalen Rechtsvorschriften an, mit denen diese Richtlinien umgesetzt wurden. Wenn das einschlägige Unionsrecht aus Verordnungen besteht und den Mitgliedstaaten durch diese Verordnungen derzeit ausdrücklich Wahlrechte eingeräumt werden, wendet die EZB auch die nationalen Rechtsvorschriften an, mit de...