Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizügigkeit. Geschiedener Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der in einem anderen Mitgliedstaat gearbeitet hat. Volljähriges Kind, das seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat absolviert. Aufenthaltsrecht für den Elternteil, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist. Recht auf Daueraufenthalt von Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen. Rechtmäßiger Aufenthalt. Auf Art. 12 gestützter Aufenthalt
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 Art. 12; Richtlinie 2004/38/EG Art. 16-18
Beteiligte
Secretary of State for the Home Department |
Tenor
1. Dem Elternteil eines volljährig gewordenen Kindes, das auf der Grundlage des Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in der durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 geänderten Fassung Zugang zu Bildung erhalten hat, kann weiterhin ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach diesem Artikel zustehen, wenn dieses Kind nach wie vor der Anwesenheit und der Fürsorge des Elternteils bedarf, um seine Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können; dies hat das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände der Rechtssache, mit der es befasst ist, zu beurteilen.
2. Aufenthaltszeiten in einem Aufnahmemitgliedstaat, die von Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, allein auf der Grundlage des Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68 in der durch die Richtlinie 2004/38 geänderten Fassung zurückgelegt wurden, ohne dass die für die Geltendmachung eines Aufenthaltsrechts nach dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt wären, können für die Zwecke des Erwerbs des Rechts auf Daueraufenthalt im Sinne der Richtlinie durch die betreffenden Familienangehörigen nicht berücksichtigt werden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber), London (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 2. Juni 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2011, in dem Verfahren
Olaitan Ajoke Alarape,
Olukayode Azeez Tijani
gegen
Secretary of State for the Home Department,
sonst am Verfahren beteiligt:
AIRE Centre,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Alarape und Herrn Tijani, vertreten durch Z. Jafferji, Barrister,
- des AIRE Centre, vertreten durch A. Weiss, Legal Director, und A. Berry, Barrister,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von F. Saheed und B. Kennelly, Barristers,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Tufvesson und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Januar 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 158, S. 77, berichtigt im ABl. L 229, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1612/68) und von Art. 16 Abs. 2, Art. 17 Abs. 3 und 4 sowie Art. 18 der Richtlinie 2004/38.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Frau Alarape und ihr Sohn, Herr Tijani, gegen den Secretary of State for the Home Department (im Folgenden: Secretary of State) wegen dessen Ablehnung ihres Antrags führen, ihnen ein Recht auf Daueraufenthalt im Vereinigten Königreich nach der Richtlinie 2004/38 zu gewähren.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 1612/68
Rz. 3
Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, der nicht zu den durch die Richtlinie 2004/38 aufgehobenen Vorschriften dieser Verordnung gehört, sah vor:
„Die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, können, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen.
Die Mitgliedstaaten fördern die Bemühungen, durch die diesen Kindern ermöglicht werden soll, unter den besten Vorau...