Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestnormen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus. Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft. Nationale Verfahrensregel, die die Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz von der vorherigen Ablehnung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abhängig macht. Zulässigkeit. Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Effektivitätsgrundsatz. Recht auf eine gute Verwaltung. Unparteilichkeit und Zügigkeit des Prüfungsverfahrens

 

Normenkette

Richtlinie 2004/83/EG; Richtlinie 2005/85/EG; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 41

 

Beteiligte

N

H. N

Attorney General

Ireland

Minister for Justice, Equality and Law Reform

 

Tenor

Die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes sowie der Effektivitätsgrundsatz und das Recht auf eine gute Verwaltung stehen einer nationalen Verfahrensvorschrift wie der im Ausgangsfall in Rede stehenden nicht entgegen, die die Prüfung eines Antrags auf subsidiären Schutz von der vorherigen Ablehnung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling abhängig macht, solange zum einen der Antrag auf Anerkennung als Flüchtling und der Antrag auf subsidiären Schutz gleichzeitig gestellt werden können und zum anderen die nationale Verfahrensvorschrift nicht dazu führt, dass die Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz erst nach Ablauf einer unangemessen langen Frist abgeschlossen werden kann, was das vorlegende Gericht zu prüfen haben wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Irland) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2012, in dem Verfahren

H. N.

gegen

Minister for Justice, Equality and Law Reform,

Ireland,

Attorney General

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter), des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Vierten Kammer, der Richter M. Safjan und J. Malenovský sowie der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von H. N., vertreten durch T. Coughlan, Solicitor, J. O'Reilly, SC, und M. McGrath, BL,
  • des Minister for Justice, Equality and Law Reform, vertreten durch E. Creedon als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. November 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304, S. 12, berichtigt in ABl. 2005, L 204, S. 24) sowie des Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn N., einem pakistanischen Staatsangehörigen, und dem Minister for Justice, Equality and Law Reform (im Folgenden: Minister), Irland und dem Attorney General über die Ablehnung des Ministers, den Antrag auf subsidiären Schutzstatus bei Fehlen eines vorherigen Antrags auf Anerkennung als Flüchtling zu prüfen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Richtlinie 2004/83

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 5, 6 und 24 der Richtlinie 2004/83 lauten:

„(5) In den Schlussfolgerungen von Tampere ist ferner festgehalten, dass die Vorschriften über die Flüchtlingseigenschaft durch Maßnahmen über die Formen des subsidiären Schutzes ergänzt werden sollten, die einer Person, die eines solchen Schutzes bedarf, einen angemessenen Status verleihen.

(6) Das wesentliche Ziel dieser Richtlinie ist es einerseits, ein Mindestmaß an Schutz in allen Mitgliedstaaten für Personen zu gewährleisten, die tatsächlich Schutz benötigen, und andererseits sicherzustellen, dass allen diesen Personen in allen Mitgliedstaaten ein Mindestniveau von Leistungen geboten wird.

(24) Ferner sollten Mindestnormen für die Bestimmung und die Merkmale des subsidiären Schutzstatus festgele...

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