Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Mindestnormen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus. Nationale Verfahrensvorschrift, die für die Stellung eines Antrags auf subsidiären Schutz eine Frist von 15 Werktagen ab der Mitteilung der Ablehnung des Asylantrags vorsieht. Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Äquivalenzgrundsatz. Effektivitätsgrundsatz. Ordnungsgemäßer Ablauf des Verfahrens zur Prüfung des Antrags auf subsidiären Schutz. Ordnungsgemäßer Ablauf des Rückkehr- bzw. Rückführungsverfahrens. Unvereinbarkeit
Normenkette
Richtlinie 2004/83/EG
Beteiligte
Minister for Justice and Equality |
Tenor
Der Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er einer innerstaatlichen Verfahrensvorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der für einen Antrag auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus eine Ausschlussfrist von 15 Werktagen ab der Mitteilung durch die zuständige Behörde gilt, dass der abgelehnte Asylbewerber die Möglichkeit hat, einen solchen Antrag zu stellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (Berufungsgerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 29. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 5. August 2015, in dem Verfahren
Evelyn Danqua
gegen
Minister for Justice and Equality,
Ireland,
Attorney General
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Danqua, vertreten durch M. Trayers, Solicitor, P. O'Shea, BL, und C. Power, SC,
- des Minister for Justice and Equality, vertreten durch R. Cotter und E. Creedon als Bevollmächtigte im Beistand von F. O'Sullivan, BL, und R. Barron, SC,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und X. Lewis als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Äquivalenzgrundsatzes.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Evelyn Danqua, einer ghanaischen Staatsangehörigen, einerseits und dem Minister for Justice and Equality (Minister für Justiz und Gleichberechtigung, Irland) (im Folgenden: Minister), Irland und dem Attorney General andererseits wegen der Weigerung des Ministers, den Antrag von Frau Danqua auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu prüfen.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 2004/83/EG
Rz. 3
Nach Art. 2 Buchst. a, e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2004, L 304, S. 12) bezeichneten die Ausdrücke
„a) ‚internationaler Schutz’ die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus im Sinne der Buchstaben d und f;
…
e) ‚Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz’ einen Drittstaatsangehörigen …, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland … tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel[s] 15 zu erleiden …
f) ‚subsidiärer Schutzstatus’ die Anerkennung eines Drittstaatsangehörigen … durch einen Mitgliedstaat als Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat”.
Rz. 4
Art. 18 dieser Richtlinie lautete:
„Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen …, der die Voraussetzungen der Kapitel II und V erfüllt, den subsidiären Schutzstatus zu.”
Richtlinie 2005/85/EG
Rz. 5
Die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. 2005, L 326, S. 13, und Berichtigung ABl. 2006, L 236, S. 36) regelt u. a. die Rechte der Asylbewerber.
Rz. 6
Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 gilt sie für alle Asylanträge, die im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gestellt werden.
Rz. 7
Ihr Art. 3 Abs. 3 sieht vor:
„Wenn Mitgliedstaaten ein Verfahren anwenden oder einführen, nach dem Asylanträge sowohl als Anträge aufgrund [des am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954])] als auch als Anträge auf Gewährung anderer Formen internationalen Schutzes, der unter den in Artikel 15 der Richtlinie [2004/83] definierten Umständen gewährt wird, geprüft werden, wenden sie die vorliegende Richtlinie während des gesamten Verfahrens an.”
Au...