Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Besondere Zuständigkeit, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Begriff ‚Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag’. Entscheidung der Hauptversammlung der Miteigentümer eines Gebäudes. Verpflichtung der Miteigentümer, die mit dieser Entscheidung festgesetzten Jahresbeiträge zum Haushalt der Eigentümergemeinschaft zu entrichten. Klage auf Erfüllung dieser Verpflichtung. Auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendendes Recht. Begriffe ‚Dienstleistungsvertrag’ und ‚Vertrag, der ein unbewegliches Recht zum Gegenstand hat’. Entscheidung der Hauptversammlung der Miteigentümer eines Gebäudes über die Ausgaben für die Instandhaltung von dessen gemeinschaftlichen Bereichen
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 Art. 7 Nr. 1 Buchst. a; EGV Nr. 593/2008 Art. 4 Abs. 1 Buchst. b, c
Beteiligte
Tenor
1. Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass ein Rechtsstreit über eine Zahlungsverpflichtung, die sich aus einer Entscheidung ergibt, die von der Hauptversammlung der Miteigentümer eines Wohngebäudes, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt und kraft Gesetzes aufgrund der besonderen Inhaberschaft eines Rechts entsteht, mit der Mehrheit ihrer Mitglieder getroffen wird, aber alle ihre Mitglieder bindet, einen „Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag” im Sinne dieser Bestimmung betrifft.
2. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) ist dahin auszulegen, dass ein Rechtsstreit wie der des Ausgangsverfahrens, der eine Zahlungsverpflichtung betrifft, die sich aus einer Entscheidung der Hauptversammlung der Miteigentümer eines Wohngebäudes ergibt und auf die Ausgaben für die Instandhaltung der gemeinschaftlichen Bereiche dieses Gebäudes bezieht, als ein Rechtsstreit über einen Dienstleistungsvertrag im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Okrazhen sad – Blagoevgrad (Regionalgericht Blagoevgrad, Bulgarien) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2018, in dem Verfahren
Brian Andrew Kerr
gegen
Pavlo Postnov,
Natalia Postnova
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Richterin C. Toader sowie der Richter L. Bay Larsen und M. Safjan,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kucina und V. Soņeca als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin, M. Heller und Y. Marinova als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 31. Januar 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. 2008, L 177, S. 6).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Brian Andrew Kerr auf der einen und Herrn Pavlo Postnov und Frau Natalia Postnova auf der anderen Seite, weil Letztere Jahresbeiträge zum Haushalt der Eigentümergemeinschaft an einem Wohnhaus, das von Herrn Kerr als Eigentümervertreter verwaltet wird, nicht bezahlt haben.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1215/2012
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 4, 15 und 16 der Verordnung Nr. 1215/2012 lauten:
„(4) Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zu gewährleisten, die in einem Mitgliedstaat ergangen sind.
…
(15) Die Zuständigkeitsvorschri...