Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtlinie 2000/78/EG. Art. 8 und 9. Nationales Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Richtlinie. Frist für die Geltendmachung. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Grundsatz der Nichtabsenkung des vorherigen Schutzniveaus
Beteiligte
Deutsche Büro Service GmbH |
Tenor
1. Das Primärrecht der Union und Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss, sofern
- zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts,
- zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert.
Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese beiden Bedingungen erfüllt sind.
2. Art. 8 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegensteht, in deren Folge eine frühere Regelung geändert worden ist, die eine Frist für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs bei geschlechtsbezogener Diskriminierung vorsah.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landesarbeitsgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 6. Juli 2009, in dem Verfahren
Susanne Bulicke
gegen
Deutsche Büro Service GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin P. Lindh (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Frau Bulicke, vertreten durch Rechtsanwalt K. Bertelsmann,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,
- der irischen Regierung, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von N. J. Travers, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Enegren und B. Conte als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8 und 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Bulicke und der Deutsche Büro Service GmbH (im Folgenden: Deutsche Büro Service) über einen von Frau Bulicke geltend gemachten Anspruch auf Entschädigung wegen einer auf ihrem Alter beruhenden Diskriminierung bei der Einstellung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie bezweckt nach ihrem Art. 1 die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.
Rz. 4
Die Erwägungsgründe 28 bis 30 der Richtlinie haben folgenden Wortlaut:
„(28) In dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen festgelegt; es steht den Mitgliedstaaten somit frei, günstigere Vorschriften einzuführen oder beizubehalten. Die Umsetzung dieser Richtlinie darf nicht eine Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus rechtfertigen.
(29) Opfer von Diskriminierungen wegen der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung sollten über einen angemessenen Rechtsschutz verfügen. …
(30) Die effektive Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes erfordert einen angemessenen Schutz vor Viktimisierung.”
Rz. 5
Art. 8 der Richtlinie lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften einführen oder beibehalten, die im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes günstiger als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften sind.
(2) Die Umsetzung dieser Richtlinie darf keinesfalls als Rechtfertigung für eine Absenkung des von den Mitgliedstaaten bereits garantierten allgemeinen Schutzniveaus in Bezug auf Diskriminierungen in den von der Richtlinie abgedeckten Bereichen benutzt werden.”
Rz. 6
Art. 9 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitg...