Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreimonatige Klagefrist bei Entschädigungsanspruch aus § 15 AGG. Unionsrechtliche Konformität der §§ 15 Abs. 4 AGG und 61b Abs. 1 ArbGG
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs erhoben werden, anderenfalls ist der Anspruch verfallen. Eine innerhalb dieser Frist erhobene Befristungskontrollklage hat einen anderen Streitgegenstand und wirkt deshalb nicht fristwahrend für einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung.
2. Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie ist es Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedsstaaten, die Ausgestaltung von Verfahren, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht zustehenden Rechte gewährleisten sollen, und eben auch die Ausschlussfristen zu bestimmen. Die Festsetzung von Ausschlussfristen ist als Anwendungsfall des Prinzips der Rechtssicherheit grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 4; ArbGG § 61b; AEUV Art. 267; RL 2000/78/EG Art. 8 Abs. 2, Art. 9 Abs. 3; RL 2000/43/EG Art. 7 Abs. 3; AGG § 22
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 25.06.2021; Aktenzeichen 6 Ca 14377/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 25.06.2021, Az: 6 Ca 14377/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung wegen Diskriminierung.
Der 54jährige griechische Kläger war bei der Beklagten, deren Zielsetzung die Integration und Unterstützung von Menschen mit Migrationshintergrund ist und die vornehmlich Mitarbeiter mit Migrationshintergrund beschäftigt, aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 02.05.2019 (in Anlage K1 zur Klage vom 01.12.2020, Bl. 4 ff.d.A.) befristet bis 30.04.2020 als Seminarleiter zu einer Bruttomonatsvergütung von € 3.100,00 tätig.
Das Arbeitsverhältnis wurde über den Zeitpunkt der Befristung hinaus nicht fortgesetzt. Die Klage des Klägers gegen die Befristung, in der er sich unter anderem auf die Zusage der Weiterbeschäftigung berief, wurde vom Arbeits- wie vom Landesarbeitsgericht abgewiesen (Az: 25 Ca 6071/20 und 2 Sa 16/21). Der Kläger betreibt diesbezüglich ein Wiederaufnahmeverfahren, weil ein Zeuge falsch ausgesagt habe.
Mit Schreiben vom 04.06.2020, das der Beklagten am 06.06.2020 zuging, machte der Kläger wegen Verstoßes gegen das AGG "Schadensersatzansprüche" geltend (in Anlage zur Klage vom 01.12.2020, Bl. 12 f.d.A.), die er mit Schriftsatz vom 01.12.2020, beim Arbeitsgericht München am gleichen Tag eingegangen, zum Gegenstand der hiesigen Klage gemacht hat.
Erstinstanzlich hat der Kläger dazu geltend gemacht, er sei wegen seiner ethnischen Herkunft und seines Alters diskriminiert worden, indem er - anders als Kolleginnen und Kollegen aus Ägypten, Polen, Nordmazedonien und Albanien, aber wie ein kroatischer Kollege - nicht über den 30.04.2020 hinaus weiter beschäftigt worden sei, obwohl er die Probezeit bestanden und seine Kurse erfolgreich geleitet habe. Ein Kollege habe zudem eine höhere Vergütung als er - Ausgleich zum Kurzarbeitergeld und Coronazulagen - erhalten.
Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG sei gewahrt, da er in dem Moment, in dem er Kenntnis vom Sachverhalt erlangt gehabt habe, mit Schreiben vom 04.06.2020 seine Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe.
Außerdem habe er die relevanten Fristen - auch § 61b ArbGG - mit der Erhebung der Entfristungsklage eingehalten.
Im Übrigen könne sich die Beklagte nach der Rechtsprechung des EuGH nicht auf die Ausschlussfristen berufen. Diese seien ihrerseits europarechtswidrig und der Rechtsstreit dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger daher folgendermaßen beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 9.300,00 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich darauf berufen, dass weder die Frist des § 15 Abs. 4 AGG noch die des § 61 b Abs. 1 ArbGG eingehalten seien.
Darüber hinaus sei eine Diskriminierung des Klägers durch die Beklagte weder vom Kläger substantiiert vorgetragen noch ersichtlich.
Mit Endurteil vom 25.06.2021, auf das hinsichtlich der Tatbestandsdarstellung und Entscheidungsgründe ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen 6 Ca 14377/20 die Klage abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch sei jedenfalls verfristet. Der Kläger habe die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten: insofern fehle es an einem Vortrag, wann er Kenntnis davon erlangt habe, dass sein Vertrag nicht verlängert werde. Auch die Dreimonatsfrist des § 61b ArbGG habe er angesichts des Geltendmachungsschreibens vom 04.06.2020 mit der Klage vom 01.12.2020 nicht gewahrt. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des BAG, wonach mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage die tariflichen Verfallfristen hinsichtlich der von deren Ausgang abhängigen V...