Entscheidungsstichwort (Thema)
Seeverkehr. Freier Dienstleistungsverkehr. Anwendbarkeit auf Transporte, die von EWR-Vertragsstaaten aus oder in diese mit Schiffen durchgeführt werden, die unter der Flagge eines Drittlands fahren. Arbeitskampfmaßnahmen in Häfen eines solchen Staates zugunsten von auf diesen Schiffen beschäftigten Drittstaatsangehörigen. Keine Auswirkung der Staatsangehörigkeit dieser Arbeitnehmer und Schiffe auf die Anwendbarkeit des Unionsrechts
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 4055/86
Beteiligte
Fonnship und Svenska Transportarbetareförbundet |
Svenska Transportarbetareförbundet |
Svenska Transportarbetareförbundet |
Facket för Service och Kommunikation (SEKO) |
Tenor
Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern ist dahin auszulegen, dass sich eine Gesellschaft mit Sitz in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992, die Eigentümerin eines Schiffes ist, das unter der Flagge eines Drittlands fährt und mittels dessen Seeverkehrsdienstleistungen von einem Vertragsstaat dieses Abkommens aus oder in diesen erbracht werden, auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen kann, vorausgesetzt, dass sie wegen ihres Betriebs dieses Schiffes als Erbringerin dieser Dienstleistungen angesehen werden kann und dass deren Empfänger in anderen Vertragsstaaten dieses Abkommens als dem ansässig sind, in dem diese Gesellschaft ihren Sitz hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbetsdomstol (Schweden) mit Entscheidung vom 14. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Februar 2013, in den Verfahren
Fonnship A/S
gegen
Svenska Transportarbetareförbundet,
Facket för Service och Kommunikation (SEKO)
und
Svenska Transportarbetareförbundet
gegen
Fonnship A/S
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, M. Ilešič (Berichterstatter), T. von Danwitz, C. G. Fernlund, J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter J. Malenovský, E. Levits, A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev, der Richterin A. Prechal und des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Fonnship A/S, vertreten durch L. Boman, advokat,
- von Svenska Transportarbetareförbundet und Facket för Service och Kommunikation (SEKO), vertreten durch I. Otken Eriksson, advokat,
- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und U. Persson als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch S. Chala und E.-M. Mamouna als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren, L. Nicolae und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
- der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis und M. Moustakali als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. April 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. L 378, S. 1, und Berichtigung ABl. 1988, L 117, S. 33).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Fonnship A/S (im Folgenden: Fonnship), einer Gesellschaft norwegischen Rechts, einerseits und Svenska Transportarbetareförbundet (schwedischer Transportarbeiterverband, im Folgenden: ST) und Facket för Service och Kommunikation (Gewerkschaft für Dienstleistungen und Kommunikation, im Folgenden: SEKO), zwei schwedischen Gewerkschaften, andererseits sowie zwischen ST und Fonnship wegen Arbeitskampfmaßnahmen, die die Erbringung der Dienstleistungen gestört haben sollen, die mittels eines Schiffes, das Fonnship gehört und unter panamaischer Flagge fährt, erbracht wurden.
Rechtlicher Rahmen
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum
Rz. 3
Art. 7 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) sieht vor:
„Rechtsakte, auf die in den Anhängen zu diesem Abkommen … Bezug genommen wird oder die darin enthalten sind, sind für die Vertragsparteien verbindlich und Teil des innerstaatlichen Rechts oder in innerstaatliches Recht umzusetzen, und zwar wie folgt:
a) Ein Rechtsakt, der einer EWG-Verordnung entspricht, wird als solcher in das innerstaatliche Recht der Vertragsparteien übernommen.
…”
Rz. 4
Art. 47 EWR-Abkommen bestimmt:
„(1) Die Artikel 48 bis 52 gelten für die Beförderungen im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr.
(2) Die besonderen Besti...