Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmittel. Staatliche Beihilfen. Art. 87 Abs. 1 EG. System des Handels mit Emissionsrechten für Stickstoffoxide. Einstufung der nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe. Entscheidung, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird. Begriff ‚Selektivität’. Aus staatlichen Mitteln finanzierter Vorteil. Umweltschutz. Begründungspflicht. Zulässigkeit
Beteiligte
Königreich der Niederlande |
Tenor
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 10. April 2008, Niederlande/Kommission (T-233/04), wird aufgehoben.
2. Die Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen.
3. Die Klage wird abgewiesen.
4. Das Königreich der Niederlande trägt die Kosten, die der Europäischen Kommission und ihm selbst durch das Verfahren im ersten Rechtszug entstanden sind.
5. Die Europäische Kommission und das Königreich der Niederlande tragen ihre eigenen durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.
6. Die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, die Republik Slowenien und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 23. Juni 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch C. Urraca Caviedes, K. Gross und H. van Vliet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelklägerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Königreich der Niederlande, vertreten durch C. M. Wissels und D. J. M. de Grave als Bevollmächtigte,
Kläger im ersten Rechtszug,
unterstützt durch
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, A.-L. Vendrolini, J. Gstalter und B. Cabouat als Bevollmächtigte,
Republik Slowenien, vertreten durch V. Klemenc als Bevollmächtigte,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch E. Jenkinson, S. Behzadi-Spencer, S. Ossowski und H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von K. Bacon, Barrister,
Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma, B. Klein und T. Henze als Bevollmächtigte,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis (Berichterstatter) und J. Malenovský,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2010,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. Dezember 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 10. April 2008, Niederlande/Kommission (T-233/04, Slg. 2008, II-591, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Entscheidung C(2003) 1761 final der Kommission vom 24. Juni 2003 über die staatliche Beihilfe N 35/2003 betreffend das vom Königreich der Niederlande angemeldete System des Handels mit Emissionsrechten für Stickstoffoxide (im Folgenden: streitige Entscheidung) für nichtig erklärt hat.
Rz. 2
Mit seinem Anschlussrechtsmittel beantragt das Königreich der Niederlande die Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit damit sein erster Klagegrund, mit dem es das Fehlen eines aus staatlichen Mitteln finanzierten Vorteils geltend gemacht hatte, zurückgewiesen wurde.
Rz. 3
Mit ihrem Anschlussrechtsmittel beantragt die Bundesrepublik Deutschland die Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 4
Die Richtlinie 2001/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2001 (ABl. L 309, S. 22) sieht nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe vor. Die Mitgliedstaaten hatten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie vor dem 27. November 2002 nachzukommen, und die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen.
Rz. 5
Nach Art. 4 dieser Richtlinie begrenzen die Mitgliedstaaten bis spätestens 2010 ihre nationalen Emissionen an Stickstoffoxiden (im Folgenden: NOx) auf die in Anhang I der Richtlinie festgelegten Emissionshöchstmengen. Diese Höchstmenge beträgt für das Königreich der Niederlande 260 Kilotonnen.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
Rz. 6
Der Sachverhalt des Rechtsstreits wird in den nachfolgend wiedergegebenen Randnrn. 8 bis 20 des angefochtenen Urteils dargestellt:
„8 Mit Schreiben vom 23. Januar 2003 meldeten die niederländischen Behörden gemäß Art. 88 Abs. 3 EG ein System des Handels mit Emissionsrechten für Stickstoffoxide (im Folgenden: fragliche Maßnahme) bei der Kommission an. Sie ersuchten diese gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags (ABl. L 83, S. 1) um Erlass einer Entscheidung, mit...