Entscheidungsstichwort (Thema)
Männliche und weibliche Arbeitnehmer. Gleiches Entgelt. Gleichbehandlung. Entschädigung wegen sozial ungerechtfertigter Entlassung. Begriff des Entgelts. Recht des Arbeitnehmers auf Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung. Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Artikels 119 oder der Richtlinie 76/207/EWG. Rechtliches Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob eine nationale Maßnahme eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Artikel 119 des Vertrages darstellt. Sachliche Rechtfertigung
Beteiligte
Secretary of State for Employment |
Nicole Seymour-Smith und Laura Perez |
Tenor
1. Die durch Gerichtsentscheidung gewährte Entschädigung wegen Verletzung des Anspruchs auf Schutz vor sozial ungerechtfertigter Entlassung ist Entgelt im Sinne von Artikel 119 EG-Vertrag.
2. Die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer im Fall einer sozial ungerechtfertigten Entlassung Anspruch auf eine Entschädigung hat, fallen unter Artikel 119. Hingegen fallen die Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer im Fall einer sozial ungerechtfertigten Entlassung einen Anspruch auf Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung hat, unter die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen.
3. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände den Zeitpunkt zu bestimmen, der bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Vorschrift, nach der nur Arbeitnehmer, die mindestens zwei Jahre lang beschäftigt waren, Anspruch auf Schutz vor sozial ungerechtfertigter Entlassung haben, zugrunde zu legen ist.
4. Das nationale Gericht hat bei der Beurteilung der Frage, ob eine Maßnahme eines Mitgliedstaats derart unterschiedliche Wirkung für Männer und Frauen hat, daß sie eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Artikel 119 des Vertrages darstellt, zu prüfen, ob sich aus den verfügbaren statistischen Daten ergibt, daß ein wesentlich geringerer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen Arbeitnehmer die durch diese Maßnahme aufgestellte Voraussetzung erfüllen kann. Ist dies der Fall, so liegt eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor, es sei denn, diese Maßnahme wäre durch Faktoren sachlich gerechtfertigt, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben.
5. Für den Fall, daß ein erheblich geringerer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen Arbeitnehmer in der Lage sein sollte, die nach der in Nummer 3 des Tenors beschriebenen Vorschrift erforderliche Voraussetzung der zweijährigen Beschäftigung zu erfüllen, ist es Sache des Mitgliedstaats, als Urheber der möglicherweise diskriminierenden Vorschrift darzutun, daß diese Vorschrift einem legitimen Ziel seiner Sozialpolitik dient, daß dieses Ziel nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun hat und daß er vernünftigerweise annehmen durfte, daß die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Zieles geeignet seien.
Tatbestand
In der Rechtssache C-167/97
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom House of Lords (Vereinigtes Königreich) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit
Regina
gegen
Secretary of State for Employment,
ex parte: Nicole Seymour-Smith und Laura Perez,
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag und der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen
hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40)
erläßt
DER GERICHTSHOF
unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten P. J. G. Kapteyn, J.-P. Puissochet, G. Hirsch und P. Jann sowie der Richter G. F. Mancini (Berichterstatter), J. C. Moitinho de Almeida, C. Gulmann, J. L. Murray, D. A. O. Edward, H. Ragnemalm, L. Sevón, M. Wathelet, R. Schintgen und K. M. Ioannou,
Generalanwalt: G. Cosmas
Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- von Nicole Seymour-Smith und Laura Perez, vertreten durch Robin Allen, QC, und Peter Duffy, QC, beauftragt durch Solicitor Gay Moon,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Lindsey Nicoll, Treasury Solicitor's Department, als Bevollmächtigte, Beistand: Patrick Elias, QC, und Nicholas Paines, QC,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Christopher Docksey und Marie Wolfcarius, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Nicole Seymour-Smith und Laura Perez, vertreten durch Robin Allen und Peter Duffy, beauftragt durch Gay Moon, der Regierung des Vereinigten Köni...