Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsangleichung. Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Verbraucherkreditverträge. Geltungsbereich. Widerrufsrecht. Innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Frist vorsehen, innerhalb deren die Ausführung des Vertrags nicht beginnen kann. Innerstaatliche Verfahrensvorschriften über die durch das nationale Gericht von Amts wegen erfolgende Prüfung des Verstoßes gegen diese Vorschriften sowie dessen Ahndung durch dieses Gericht. Wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen

 

Normenkette

Richtlinie 2008/48/EG Art. 14 Abs. 7, Art. 23

 

Beteiligte

Sogefinancement

Sogefinancement SAS

RW

UV

 

Tenor

Art. 14 Abs. 7 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates

ist dahin auszulegen, dass

innerstaatliche Verfahrensvorschriften über die durch das nationale Gericht von Amts wegen erfolgende Prüfung eines Verstoßes des Kreditgebers gegen eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, die eine Frist vorsieht, innerhalb deren die Ausführung des Kreditvertrags nicht beginnen kann, sowie die Ahndung dieses Verstoßes durch das nationale Gericht nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-50/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit Entscheidung vom 16. Dezember 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2022, in dem Verfahren

Sogefinancement SAS

gegen

RW,

UV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter), N. Piçarra, N. Jääskinen und M. Gavalec,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der Sogefinancement SAS, vertreten durch S. Mendès-Gil, Avocat,
  • –        der französischen Regierung, vertreten durch A.-L. Desjonquères und N. Vincent als Bevollmächtigte,
  • –        der finnischen Regierung, vertreten durch A. Laine als Bevollmächtigte,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 23 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Sogefinancement SAS auf der einen sowie RW und UV auf der anderen Seite wegen eines Antrags auf Zahlung des Betrags, der im Rahmen eines ihnen von Sogefinancement gewährten persönlichen Darlehens noch geschuldet wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 9 und 10 der Richtlinie 2008/48 heißt es:

„(9)      Eine vollständige Harmonisierung ist notwendig, um allen Verbrauchern in der Gemeinschaft ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um einen echten Binnenmarkt zu schaffen. Den Mitgliedstaaten sollte es deshalb nicht erlaubt sein, von dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen. Diese Einschränkung sollte jedoch nur in den Fällen gelten, in denen Vorschriften durch diese Richtlinie harmonisiert werden. Soweit es keine solchen harmonisierten Vorschriften gibt, sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen. …

(10)      Mit den Begriffsbestimmungen dieser Richtlinie wird der Bereich der Harmonisierung festgelegt. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie sollte sich daher nur auf den durch diese Begriffsbestimmungen festgelegten Bereich erstrecken. …“

Rz. 4

Art. 14 („Widerrufsrecht“) dieser Richtlinie bestimmt:

„(1)      Der Verbraucher kann innerhalb von vierzehn Kalendertagen ohne Angabe von Gründen den Kreditvertrag widerrufen.

(7)      Dieser Artikel berührt nicht innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Frist vorsehen, innerhalb deren die Ausführung des Vertrags nicht beginnen kann.“

Rz. 5

Art. 22 („Harmonisierung und Unabdingbarkeit dieser Richtlinie“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 sieht vor:

„Soweit diese Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, dürfen die Mitgliedstaaten keine Bestimmungen in ihrem innerstaatlichen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen.“

Rz. 6

Art. 23 („Sanktionen“) der Richtlinie 2008/48 lautet:

„Die Mitgliedstaaten legen für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen fest und treffen die zu ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig...

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