Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Zollkodex der Gemeinschaften. Zollwert. Bestimmung des Transaktionswerts gleichartiger Waren. Von der nationalen Zollbehörde eingerichtete und betriebene Datenbank. Datenbanken, die von den Zollbehörden der anderen Mitgliedstaaten und von den Dienststellen der Europäischen Union eingerichtet und betrieben werden. Gleiche oder gleichartige Waren, die ‚zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt’ in die Union ausgeführt werden
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 30 Abs. 2 Buchst. a, b
Beteiligte
Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága |
Verfahrensgang
Kúria (Ungarn) (Beschluss vom 04.02.2021; ABl. EU 2021 Nr. C 228/22) |
Tenor
1. Art. 30 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften ist dahin auszulegen, dass sich die Zollbehörde eines Mitgliedstaats bei der Ermittlung des Zollwerts nach dieser Bestimmung darauf beschränken kann, die Informationen aus der von ihr beschickten und betriebenen nationalen Datenbank heranzuziehen, ohne dass sie Informationen von Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten oder von den Organen und Dienststellen der Europäischen Union einholen muss, sofern diese Informationen ausreichend sind. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Möglichkeit der betreffenden Zollbehörde, Anfragen an andere Zollbehörden oder die genannten Organe oder Dienststellen zu richten, um zusätzliche Informationen für die Ermittlung des Zollwerts zu erhalten, unberührt.
2. Art. 30 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2913/92 ist dahin auszulegen, dass die Zollbehörde eines Mitgliedstaats bei der Ermittlung des Zollwerts Transaktionswerte außer Acht lassen kann, die sich auf andere Transaktionen der die zolltarifliche Behandlung beantragenden Person beziehen, auch wenn diese Werte weder von dieser Zollbehörde noch von den Zollbehörden anderer Mitgliedstaaten beanstandet wurden. Dies setzt voraus, dass die Zollbehörde zum einen die Transaktionswerte von in diesen Mitgliedstaat erfolgten Einfuhren zuvor gemäß Art. 78 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 2913/92 innerhalb der zeitlichen Grenzen von Art. 221 dieser Verordnung und gemäß dem in Art. 181a der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 3254/94 der Kommission vom 19. Dezember 1994 vorgesehenen Verfahren anzweifelt und sie zum anderen die Außerachtlassung der Transaktionswerte von in andere Mitgliedstaaten erfolgten Einfuhren gemäß Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 2913/92 begründet sowie Umstände anführt, die sich auf die Plausibilität dieser Werte auswirken.
3. Der in Art. 30 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 2913/92 verwendete Begriff der Waren, die „zu demselben oder annähernd demselben Zeitpunkt” wie die zu bewertenden Waren ausgeführt wurden, ist dahin auszulegen, dass sich die Zollbehörde bei der Ermittlung des Zollwerts nach dieser Bestimmung darauf beschränken kann, Angaben zu Transaktionswerten zu verwenden, die einen Zeitraum von 90 Tagen betreffen, davon je 45 Tage vor bzw. nach der zolltariflichen Behandlung der zu bewertenden Waren, sofern die während dieses Zeitraums in die Europäische Union erfolgten Ausfuhren von Waren, die gleich oder gleichartig sind wie die zu bewertenden Waren, die Ermittlung des Zollwerts der zu bewertenden Waren nach dieser Bestimmung ermöglichen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Oberster Gerichtshof, Ungarn) mit Entscheidung vom 4. Februar 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 25. März 2021, in dem Verfahren
FAWKES Kft.
gegen
Nemzeti Adú- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, der Richter I. Jarukaitis, M. Ilešič, D. Gratsias (Berichterstatter) und Z. Csehi,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der FAWKES Kft., vertreten durch L. P. Maruzs, Ügyvéd,
- der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch I. Herranz Elizalde und S. Jiménez García als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. Bain und A.-L. Desjonquères als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Béres und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 30 Abs. 2 Buchst. a und b der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Ok...