Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Familienzusammenführung. Integrationsmaßnahmen. Nationale Rechtsvorschriften, nach denen Familienangehörige eines Drittstaatsangehörigen, der sich im betreffenden Mitgliedstaat rechtmäßig aufhält, vor der Einreise in diesen Mitgliedstaat eine Integrationsprüfung erfolgreich ablegen müssen. Kosten einer solchen Prüfung. Vereinbarkeit
Normenkette
Richtlinie 2003/86/EG Art. 7 Abs. 2
Beteiligte
Minister van Buitenlandse Zaken |
Tenor
Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat von Drittstaatsangehörigen verlangen kann, dass sie eine Integrationsprüfung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende erfolgreich ablegen, bei der Grundkenntnisse sowohl der Sprache als auch der Gesellschaft des betreffenden Mitgliedstaats beurteilt werden und für die verschiedene Kosten zu begleichen sind, bevor er ihnen die Einreise in sein Hoheitsgebiet und den Aufenthalt dort im Rahmen der Familienzusammenführung erlaubt, sofern die Anwendungsvoraussetzungen für ein solches Erfordernis die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren wird durch diese Anwendungsvoraussetzungen die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung insofern unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, als sie nicht die Berücksichtigung besonderer Umstände ermöglichen, die die Betroffenen objektiv an einer erfolgreichen Ablegung dieser Prüfung hindern, und für die Kosten im Zusammenhang mit dieser Prüfung ein zu hoher Betrag festgesetzt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidung vom 1. April 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2014, in dem Verfahren
Minister van Buitenlandse Zaken
gegen
K,
A
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev, J. L. da Cruz Vilaça und C. Lycourgos,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2015,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von K, vertreten durch G. J. Dijkman, advocaat,
- von A, vertreten durch W. P. R. Peeters, advocaat,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Gijzen, M. Bulterman, B. Koopman und J. Langer als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und B. Beutler als Bevollmächtigte,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Condou-Durande und G. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. März 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl. L 251, S. 12).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten jeweils zwischen dem Minister van Buitenlandse Zaken (Minister für auswärtige Angelegenheiten) einerseits und K bzw. A andererseits über deren jeweiligen Antrag auf Erteilung einer vorläufigen Aufenthaltserlaubnis für die Niederlande zum Zweck der Familienzusammenführung mit ihrem in diesem Mitgliedstaat wohnenden Ehegatten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 der Richtlinie 2003/86 bestimmt:
„Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung der Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige, die sich rechtmäßig im Gebiet der Mitgliedstaaten aufhalten.”
Rz. 4
Art. 4 Abs. 1 der genannten Richtlinie bestimmt:
„Vorbehaltlich der in Kapitel IV sowie in Artikel 16 genannten Bedingungen gestatten die Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie folgenden Familienangehörigen die Einreise und den Aufenthalt:
a) dem Ehegatten des Zusammenführenden;
…”
Rz. 5
Das Kapitel IV („Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung”) der Richtlinie 2003/86 enthält die Art. 6 bis 8. Art. 6 Abs. 1 sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten können einen Antrag auf Einreise und Aufenthalt eines Familienangehörigen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit ablehnen.”
Rz. 6
Art. 7 der Richtlinie 2003/86 lautet:
„(1) Bei Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung kann der betreffende Mitgliedstaat vom Antragsteller den Nachweis verlangen, dass der Zusammenführende über Folgendes verfügt:
- Wohnraum, der für eine vergleichbar große Familie in derselben Region als üblich angesehen wird und der die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsnormen erfüllt;
- ein...