Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Begriff des Geschäftsverkehrs. Dienstleistungen. Mietvertrag. Wiederkehrende Zahlungen. Ratenzahlungen. Tragweite
Normenkette
Richtlinie 2011/7/EU Art. 2 Nr. 1, Art. 5
Beteiligte
Tenor
1. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag, dessen Hauptleistung in der entgeltlichen Überlassung einer Immobilie zur vorübergehenden Nutzung besteht, wie z. B. ein Mietvertrag über Geschäftsräume, einen Geschäftsvorgang, der zu einer Erbringung von Dienstleistungen führt, im Sinne dieser Bestimmung darstellt, sofern dieser Geschäftsvorgang zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen erfolgt.
2. Sofern ein befristeter oder unbefristeter Vertrag, der eine wiederkehrende Zahlung in im Voraus festgelegten Zeitabständen wie z. B. die monatliche Miete aus einem Mietvertrag über Geschäftsräume vorsieht, als zu einer Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führender Geschäftsvorgang im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2011/7 in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, ist Art. 5 der Richtlinie dahin auszulegen, dass ein solcher Vertrag nicht zwangsläufig als eine Vereinbarung von Ratenzahlungen im Sinne von Art. 5 der Richtlinie angesehen werden muss, damit er, wenn eine Zahlung nicht zum vereinbarten Termin erfolgt, die in den Art. 3 und 6 der Richtlinie vorgesehenen Zins- und Entschädigungsansprüche auslösen kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sad Rejonowy dla Łodzi-Sródmiescia w Łodzi (Rayongericht Łódź – Łódź-Stadtmitte, Polen) mit Entscheidung vom 24. Januar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Februar 2019, in dem Verfahren
RL sp. z o.o.
gegen
J. M.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin, der Richterin K. Jürimäe und des Richters N. Piçarra (Berichterstatter),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von J. M., vertreten durch A. Krakowińska, radca prawny,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. De Luca, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Mifsud-Bonnici und Ł. Habiak als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 5 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RL sp. z o.o. und J. M. wegen der verspäteten Zahlung von 16 Mieten und Nebenkosten aus einem unbefristeten Mietvertrag für Geschäftsräume durch J. M.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2, 3, 8, 9, 11, 19 und 22 der Richtlinie 2011/7 heißt es:
„(2) Für die meisten Waren und Dienstleistungen erfolgen die Zahlungen im Binnenmarkt zwischen Wirtschaftsteilnehmern einerseits und zwischen Wirtschaftsteilnehmern und öffentlichen Stellen andererseits im Wege des Zahlungsaufschubs, wobei gemäß den Vereinbarungen der Vertragsparteien, der Lieferantenrechnung oder den gesetzlichen Bestimmungen der Leistungserbringer seinem Kunden einen gewissen Zeitraum zur Begleichung der Rechnung einräumt.
(3) Viele Zahlungen im Geschäftsverkehr zwischen Wirtschaftsteilnehmern einerseits und zwischen Wirtschaftsteilnehmern und öffentlichen Stellen andererseits werden später als zum vertraglich vereinbarten oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegten Zeitpunkt getätigt. Trotz Lieferung der Waren oder Erbringung der Leistungen werden viele Rechnungen erst lange nach Ablauf der Zahlungsfrist beglichen. Ein derartiger Zahlungsverzug wirkt sich negativ auf die Liquidität aus und erschwert die Finanzbuchhaltung von Unternehmen. Es beeinträchtigt außerdem die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen, wenn der Gläubiger aufgrund eines Zahlungsverzugs Fremdfinanzierung in Anspruch nehmen muss. …
…
(8) Der Anwendungsbereich dieser Richtlinie sollte auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt sein. Diese Richtlinie sollte weder Geschäfte mit Verbrauchern noch die Zahlung von Zinsen im Zusammenhang mit anderen Zahlungen, z. B. unter das Scheck- und Wechselrecht fallende Zahlungen oder Schadensersatzzahlungen einschließlich Zahlungen von Versicherungsgesellschaften, umfassen. Außerdem sollten die Mitgliedstaaten befugt sein, Schulden a...