Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Verbraucherkredit. Auslegung der Begriffe ‚auf Papier’ und ‚ein anderer dauerhafter Datenträger’. Vertrag mit Verweis auf ein anderes Dokument. Schriftformerfordernis im Sinne des nationalen Rechts. Angabe der erforderlichen Informationen durch einen Verweis auf objektive Parameter. In einem Kreditvertrag mit fester Laufzeit anzugebende Elemente. Folgen der fehlenden Angabe zwingender Informationen. Verhältnismäßigkeit
Normenkette
Richtlinie 2008/48/EG Art. 1, 3 Buchst. m, Art. 10 Abs. 1-2, Art. 22 Abs. 1, Art. 23
Beteiligte
Tenor
1. Art. 10 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit Art. 3 Buchst. m der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass
- der Kreditvertrag nicht notwendigerweise in einem einzigen Dokument enthalten sein muss, aber alle in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 genannten Elemente auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger festgehalten werden müssen;
- er einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, in seinem innerstaatlichen Recht zum einen vorzusehen, dass der auf Papier erstellte Kreditvertrag, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48 fällt und der auf Papier erstellt wird, von den Parteien unterzeichnet werden muss, und zum anderen, dass diese Voraussetzung der Unterzeichnung für alle Elemente dieses Vertrags gilt, die in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie genannt sind.
2. Art. 10 Abs. 2 Buchst. h der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag nicht jeder Fälligkeitstag der vom Verbraucher zu leistenden Zahlungen durch Bezugnahme auf ein genaues Datum angegeben werden muss, sofern die Bedingungen dieses Vertrags es diesem Verbraucher ermöglichen, ohne Schwierigkeiten und mit Sicherheit die Daten dieser Zahlungen zu erkennen.
3. Art. 10 Abs. 2 Buchst. h und i der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass ein Kreditvertrag mit fester Laufzeit, der Rückzahlungen des Darlehensbetrags durch aufeinanderfolgende Zahlungen vorsieht, nicht in Form eines Tilgungsplans vorsehen muss, welcher Teil jeder Zahlung auf die Rückzahlung des Darlehensbetrags entfällt. Diese Bestimmungen in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 dieser Richtlinie hindern einen Mitgliedstaat daran, in seiner Rechtsordnung eine solche Verpflichtung vorzusehen.
4. Art. 23 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, in seinem innerstaatlichen Recht vorzusehen, dass für den Fall, in dem der Kreditvertrag nicht alle in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie geregelten erforderlichen Elemente nennt, der Vertrag als zins- und kostenfrei gilt, sofern es sich um ein Element handelt, dessen Fehlen es dem Verbraucher unmöglich machen kann, den Umfang seiner Verpflichtung einzuschätzen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Okresný súd Dunajská Streda (Bezirksgericht Dunajská Streda, Slowakei) mit Entscheidung vom 19. Dezember 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2015, in dem Verfahren
Home Credit Slovakia a.s.
gegen
Klára Bíróová
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer),
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan (Berichterstatter) und D. Šváby,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der slowakischen Regierung, vertreten durch B. Ricziová als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Goddin und A. Tokár als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 9. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1, Art. 3 Buchst. m, Art. 10 Abs. 1 und 2, Art. 22 Abs. 1 sowie Art. 23 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, und Berichtigungen ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Home Credit Slovakia a.s. und Frau Klára Bíróová wegen einer Aufforderung zur Zahlung von ausstehenden Beträgen auf einen Kredit, den das Unternehmen ihr gewährt hatte und in Bezug auf den sie in Zahlungsverzug war.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 7, 9, 10, 19, 30, 31 und 47 der Richtlinie 2008/48 heißt es:
„(7) Um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern, muss in e...