Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleiches Entgelt für Männer und Frauen – Artikel 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) – Protokoll zu Artikel 119 EG-Vertrag – Betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit – Ausschluß teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer vom Anschluß an ein betriebliches System, das den Bezug einer zusätzlichen Altersrente ermöglicht – Rückwirkender Anschluß – Rentenanspruch – Verhältnis zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht – Gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts
Normenkette
EGVtr Art. 119; EGVtr Protokoll zu Art. 119 (jetzt Art. 141 EG)
Beteiligte
Tenor
1. Die sich aus dem Urteil vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75 (Defrenne II) ergebende zeitliche Beschränkung der Möglichkeit, sich auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) zu berufen, steht nationalen Vorschriften, in denen ein Gleichheitsgrundsatz aufgestellt wird, aufgrund dessen alle teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren einen Anspruch auf rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem und auf eine Rente aus diesem System haben, nicht entgegen.
2. Artikel 119 des Vertrages steht Vorschriften eines Mitgliedstaats, in denen ein Gleichheitsgrundsatz aufgestellt wird, aufgrund dessen alle teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren einen Anspruch auf rückwirkenden Anschluß an ein Betriebsrentensystem und auf eine Rente aus diesem System haben, ungeachtet der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Wirtschaftsteilnehmern der verschiedenen Mitgliedstaaten zum Nachteil der im erstgenannten Mitgliedstaat niedergelassenen Arbeitgeber nicht entgegen.
3. Das nationale Gericht ist verpflichtet, das nationale Recht soweit wie möglich unter Berücksichtigung von Wortlaut und Zweck der einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere des Artikels 119 des Vertrages, auszulegen, um die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen zu gewährleisten.
Tatbestand
In den verbundenen Rechtssachen C-270/97 und C-271/97
betreffend dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Deutschland) in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten
Deutsche Post AG
gegen
Elisabeth Sievers (C-270/97),
Brunhilde Schrage (C-271/97)
vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) sowie des dem EG-Vertrag beigefügten Protokolls zu Artikel 119 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
erläßt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer R. Schintgen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter G. Hirsch und H. Ragnemalm,
Generalanwalt: G. Cosmas
Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Deutsche Post AG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Karoff, Hannover,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Hillenkamp und M. Wolfcarius, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt K. Bertelsmann, Hamburg,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Deutsche Post AG, vertreten durch Rechtsanwalt J. Peter, Bonn, von Elisabeth Sievers und Brigitte Schrage, vertreten durch Rechtsanwalt K. Lörcher, Gewerkschaftssekretär der Deutschen Postgewerkschaft, und der Kommission, vertreten durch M. Wolfcarius im Beistand von K. Bertelsmann in der Sitzung vom 1. Juli 1998,
nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Oktober 1998,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat mit zwei Beschlüssen vom vom 8. November 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli 1997, in beiden Rechtssachen gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) sowie des dem EG-Vertrag beigefügten Protokolls zu Artikel 119 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (im folgenden: Protokoll) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellen sich in zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Deutsche Post AG (im folgenden: Beklagte), zuvor Deutsche Bundespost, und Elisabeth Sievers (C-270/97) sowie Brigitte Schrage (C-271/97) (im folgenden: Klägerinnen) über die Voraussetzungen für den Anschluß an ein betriebliches Zusatzversorgungssystem und die Gewährung einer entsprechenden Rente.
Das nationale Recht
3. Artikel 3 Absätze 1 bis 3 des Grundgesetzes (GG) für die Bundesrepublik Deutschland besti...