Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Anwendungsbereich. Befugnis eines Gerichts eines Mitgliedstaats zum Erlass einer Anordnung, die einer Partei die Einleitung oder Fortführung eines Verfahrens vor einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats mit der Begründung verbietet, dass dieses Verfahren einer Schiedsvereinbarung zuwiderlaufe. New Yorker Übereinkommen

 

Beteiligte

Allianz (anciennement Riunione Adriatica di Sicurta)

Allianz SpA, vormals Riunione Adriatica Di Sicurtà SpA

Generali Assicurazioni Generali SpA

West Tankers Inc

 

Tenor

Der Erlass einer Anordnung durch ein Gericht eines Mitgliedstaats, mit der einer Person die Einleitung oder Fortführung eines Verfahrens vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats mit der Begründung verboten wird, dass ein solches Verfahren gegen eine Schiedsvereinbarung verstoße, ist mit der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen unvereinbar.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach den Art. 68 EG und 234 EG, eingereicht vom House of Lords (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 28. März 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 2. April 2007, in dem Verfahren

Allianz SpA, vormals Riunione Adriatica Di Sicurtà SpA,

Generali Assicurazioni Generali SpA

gegen

West Tankers Inc.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und A. Ó Caoimh sowie der Richter P. Kūris, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet, J. Klučka (Berichterstatter), E. Levits und L. Bay Larsen,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juni 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Allianz SpA, vormals Riunione Adriatica di Sicurtà SpA, und der Generali Assicurazioni Generali SpA, vertreten durch S. Males, QC, im Beistand von S. Masters, Barrister,
  • der West Tankers Inc., vertreten durch I. Chetwood, Solicitor, im Beistand von T. Brenton und D. Bailey, Barristers,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Jackson und S. Behzadi-Spencer als Bevollmächtigte im Beistand von V. Veeder und A. Layton, QC,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A.-L. During als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 4. September 2008

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Allianz SpA, vormals Riunione Adriatica Di Sicurtà SpA, und der Generali Assicurazioni Generali SpA (im Folgenden zusammen: Allianz und Generali) einerseits und der West Tankers Inc. (im Folgenden: West Tankers) andererseits, in dem es um die Haftung von West Tankers aus unerlaubter Handlung geht.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 3

Das am 10. Juni 1958 in New York unterzeichnete Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (United Nations Treaty Series, Bd. 330, S. 3, im Folgenden: New Yorker Übereinkommen) bestimmt in seinem Art. II Abs. 3:

„Wird ein Gericht eines Vertragsstaates wegen eines Streitgegenstandes angerufen, hinsichtlich dessen die Parteien eine Vereinbarung im Sinne dieses Artikels getroffen haben, so hat das Gericht auf Antrag einer der Parteien sie auf das schiedsrichterliche Verfahren zu verweisen, sofern es nicht feststellt, dass die Vereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist.”

Gemeinschaftsrecht

Rz. 4

Der 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 44/2001 lautet:

„Um die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, zu wahren, darf sich diese Verordnung nicht auf von den Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkommen in besonderen Rechtsgebieten auswirken.”

Rz. 5

Art. 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„(1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2) Sie ist nicht anzuwenden auf:

d) die Schiedsgerichtsbarkeit.”

Rz. 6

Art. 5 dieser Verordnung sieht vor:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

3. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder ...

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