Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsbürgerschaft. Art. 18 EG. Richtlinie 2004/38/EG. Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten
Beteiligte
Ministerul Administratiei si Internelor – Direcţia Generala de Paşapoarte Bucureşti |
Tenor
Art. 18 EG und Art. 27 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG stehen nicht einer nationalen Regelung entgegen, nach der das Recht eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben, insbesondere deshalb beschränkt werden darf, weil er zuvor von dort wegen „unbefugten Aufenthalts” zurückgeführt wurde, sofern zum einen das persönliche Verhalten dieses Staatsangehörigen eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und zum anderen die vorgesehene beschränkende Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies bei dem Sachverhalt, mit dem es befasst ist, der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunalul Dâmbovita (Rumänien) mit Entscheidung vom 17. Januar 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Januar 2007, in dem Verfahren
Ministerul Administraţiei şi Internelor – Direcţia Generală de Paşapoarte Bucureşti
gegen
Gheorghe Jipa
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano (Berichterstatter), A. Borg Barthet, M. Ilešič und E. Levits,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Ganea als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch E. Skandalou und G. Papagianni als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani und I. Trifa als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Februar 2008
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 EG und Art. 27 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, mit Berichtigung im ABl. L 229, S. 35).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens über ein Klage des Ministerul Administraţiei şi Internelor – Direcţia Generală de Paşapoarte Bucureşti (Ministerium für Verwaltung und Inneres – Generaldirektion Passwesen Bukarest, im Folgenden: Ministerium), mit der eine Entscheidung des Tribunalul Dâmboviţa erwirkt werden soll, durch die es Herrn Jipa, der die rumänische Staatsangehörigkeit besitzt, für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren untersagt würde, sich nach Belgien zu begeben.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Rz. 3
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 sieht vor:
„Unbeschadet der für die Kontrollen von Reisedokumenten an den nationalen Grenzen geltenden Vorschriften haben alle Unionsbürger, die einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich führen, und ihre Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die einen gültigen Reisepass mit sich führen, das Recht, das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verlassen und sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben.”
Rz. 4
Art. 27 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 bestimmt:
„(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.
(2) Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.
Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstel...