Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Marken. Angabe der Waren oder Dienstleistungen, für die der Markenschutz beantragt wird. Erfordernisse der Klarheit und der Eindeutigkeit. Nizzaer Klassifikation. Einzelhandel. Zusammenstellung von Dienstleistungen

 

Normenkette

Richtlinie 2008/95/EG

 

Beteiligte

Netto Marken Discount

Netto Marken-Discount AG & Co. KG

Deutsches Patent- und Markenamt

 

Tenor

1. Die Leistungen eines Wirtschaftsteilnehmers, die darin bestehen, Dienstleistungen zusammenzustellen, damit der Verbraucher diese bequem vergleichen und erwerben kann, können unter den Begriff „Dienstleistungen” gemäß Art. 2 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken fallen.

2. Die Richtlinie 2008/95 ist dahin auszulegen, dass nach dieser Richtlinie die Anmeldung einer Marke für eine Dienstleistung, die in der Zusammenstellung von Dienstleistungen besteht, so klar und eindeutig formuliert werden muss, dass die zuständigen Behörden und die anderen Wirtschaftsteilnehmer erkennen können, welche Dienstleistungen der Anmelder zusammenzustellen beabsichtigt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundespatentgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli 2013, in dem Verfahren

Netto Marken-Discount AG & Co. KG

gegen

Deutsches Patent- und Markenamt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Netto Marken-Discount AG & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Rauscher,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und F.-X. Bréchot als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Beeko als Bevollmächtigte im Beistand von S. Ford, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. W. Bulst und E. Montaguti als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 2 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Netto Marken-Discount AG & Co. KG (im Folgenden: Netto Marken-Discount) und dem Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: DPMA) wegen der Zurückweisung einer Markenanmeldung.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 3

Auf internationaler Ebene gilt für das Markenrecht die am 20. März 1883 in Paris unterzeichnete Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, letztmalig revidiert am 14. Juli 1967 in Stockholm und geändert am 28. September 1979 (Recueil des traités des Nations unies, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305, im Folgenden: Pariser Verbandsübereinkunft). Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind Vertragsparteien dieser Übereinkunft.

Rz. 4

Nach Art. 19 der Pariser Verbandsübereinkunft ist den Verbandsländern das Recht vorbehalten, einzeln untereinander Sonderabkommen zum Schutz des gewerblichen Eigentums zu treffen.

Rz. 5

Diese Vorschrift diente als Grundlage für die Annahme des in der diplomatischen Konferenz von Nizza am 15. Juni 1957 geschlossenen Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken, letztmalig revidiert am 13. Mai 1977 in Genf und geändert am 28. September 1979 (Recueil des traités des Nations unies, Bd. 1154, Nr. I-18200, S. 89, im Folgenden: Abkommen von Nizza). Art. 1 dieses Abkommens sieht vor:

„(1) Die Länder, auf die dieses Abkommen Anwendung findet, bilden einen besonderen Verband und nehmen eine gemeinsame Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken (im Folgenden als ‚die [Nizzaer] Klassifikation’ bezeichnet) an.

(2) Die [Nizzaer] Klassifikation besteht aus

i) einer Klasseneinteilung, gegebenenfalls mit erläuternden Anmerkungen;

ii) einer alphabetischen Liste der Waren und Dienstleistungen … mit Angabe der Klasse, in welche die einzelne Ware oder Dienstleistung eingeordnet ist.

…”

Rz. 6

Art. 2 („Rechtliche Bedeutung und Anwendung der [Nizzaer] Klassifikation”) des Abkommens von Nizza lautet:

„(1) Vorbehaltlich der sich aus diesem Abkommen ergebenden Verpflichtungen hat die [Nizzaer] Klassifikation die Wirkung, die ihr jedes Land des besonderen Verbandes beilegt. Insbesond...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge