Entscheidungsstichwort (Thema)
Öffentliche Aufträge. Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit. Technische und/oder berufliche Leistungsfähigkeit. Möglichkeit eines Wirtschaftsteilnehmers, sich auf die Kapazitäten anderer Unternehmen zu stützen. Zertifizierungssystem. Öffentliche Bauaufträge. Nationale Vorschrift, die den Besitz einer Qualifikationsbescheinigung vorschreibt, die der Kategorie und dem Wert der Arbeiten entspricht, die Gegenstand des Auftrags sind. Verbot, sich in Bezug auf Arbeiten ein und derselben Kategorie auf die Bescheinigungen mehrerer Unternehmen zu stützen
Normenkette
Richtlinie 2004/18/EG Art. 47 Abs. 2, Art. 48 Abs. 3, Art. 52
Beteiligte
Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino |
Tenor
Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge in Verbindung mit Art. 44 Abs. 2 dieser Richtlinie sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die es Wirtschaftsteilnehmern, die sich an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags beteiligen, im Regelfall verbietet, sich innerhalb ein und derselben Qualifikationskategorie auf die Kapazitäten mehrerer Unternehmen zu stützen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per le Marche (Italien) mit Entscheidung vom 15. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Februar 2012, in dem Verfahren
Swm Costruzioni 2 SpA,
Mannocchi Luigino DI
gegen
Provincia di Fermo,
Beteiligte:
Torelli Dottori SpA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, D. Šváby (Berichterstatter) und C. Vajda,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Swm Costruzioni 2 SpA und der Mannocchi Luigino DI, vertreten durch C. Famiglini, avvocato,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Zadra und A. Tokár als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. Februar 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Swm Costruzioni 2 SpA (im Folgenden: Swm) und der Mannocchi Luigino DI, zwei Unternehmen, die sich zu einer Arbeitsgemeinschaft (Raggruppamento Temporaneo Imprese, im Folgenden: Arbeitsgemeinschaft) zusammengeschlossen haben, auf der einen und der Provincia di Fermo auf der anderen Seite wegen deren Entscheidung, die genannte Arbeitsgemeinschaft von der Teilnahme an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags auszuschließen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der 32. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 sieht vor:
„Um den Zugang von kleinen und mittleren Unternehmen zu öffentlichen Aufträgen zu fördern, sollten Bestimmungen über Unteraufträge vorgesehen werden.”
Rz. 4
Der 45. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 lautet:
„Diese Richtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten offizielle Verzeichnisse von Bauunternehmern, Lieferanten oder Dienstleistungserbringern oder eine Zertifizierung durch öffentliche oder privatrechtliche Stellen einführen können, und regelt auch die Wirkungen einer solchen Eintragung in ein Verzeichnis oder einer solchen Bescheinigung im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags in einem anderen Mitgliedstaat. Hinsichtlich der offiziellen Verzeichnisse der zugelassenen Wirtschaftsteilnehmer muss die Rechtsprechung des Gerichtshofs in den Fällen berücksichtigt werden, in denen sich ein Wirtschaftsteilnehmer, der zu einer Gruppe gehört, der wirtschaftlichen, finanziellen oder technischen Kapazitäten anderer Unternehmen der Gruppe bedient, um seinen Antrag auf Eintragung in das Verzeichnis zu stützen. In diesem Fall hat der Wirtschaftsteilnehmer den Nachweis dafür zu erbringen, dass er während der gesamten Geltungsdauer der Eintragung effektiv über diese Kapazitäten verfügt. Für diese Eintragung kann ein Mitgliedstaat daher ein zu erreichendes Leistungsniveau und, wenn sich der betreffende Wirtschaftsteilnehmer beispielsweise auf die Finanzkraft eines anderen Unternehmens der Gruppe stützt, insbesondere die Übernahme einer erforderlichenfalls gesamtschuldnerischen Verpflichtung durch das zuletzt ...