Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Vermiet- und Verleihrecht an geschützten Werken. Verleih von Vervielfältigungsstücken eines Werkes. Verleih von Gegenständen. Verleih einer digitalen Kopie eines Buches. Öffentliche Bibliotheken
Normenkette
EGRL 115/2006 Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Beteiligte
Vereniging Openbare Bibliotheken |
Vereniging Openbare Bibliotheken |
Tenor
1. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass der Begriff „Verleihen” im Sinne dieser Vorschrift das Verleihen einer digitalen Kopie eines Buches erfasst, wenn dieses Verleihen so erfolgt, dass die in Rede stehende Kopie auf dem Server einer öffentlichen Bibliothek abgelegt ist und es dem betreffenden Nutzer ermöglicht wird, diese durch Herunterladen auf seinem eigenen Computer zu reproduzieren, wobei nur eine einzige Kopie während der Leihfrist heruntergeladen werden kann und der Nutzer nach Ablauf dieser Frist die von ihm heruntergeladene Kopie nicht mehr nutzen kann.
2. Das Unionsrecht, namentlich Art. 6 der Richtlinie 2006/115, ist dahin auszulegen, dass es einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115 mit der Bedingung zu verknüpfen, dass die von der öffentlichen Bibliothek zur Verfügung gestellte digitale Kopie eines Buches durch einen Erstverkauf oder eine andere erstmalige Eigentumsübertragung dieser Kopie in der Europäischen Union durch den Inhaber des Rechts zur Verbreitung an die Öffentlichkeit oder mit dessen Zustimmung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in den Verkehr gebracht worden ist.
3. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115 ist dahin auszulegen, dass er der Anwendung der von ihm vorgesehenen Ausnahme für das öffentliche Verleihwesen auf die Zurverfügungstellung einer digitalen Kopie eines Buches durch eine öffentliche Bibliothek in dem Fall entgegensteht, dass diese Kopie aus einer illegalen Quelle stammt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Den Haag (Bezirksgericht Den Haag, Niederlande) mit Entscheidung vom 1. April 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 17. April 2015, in dem Verfahren
Vereniging Openbare Bibliotheken
gegen
Stichting Leenrecht,
Beteiligte:
Vereniging Nederlands Uitgeversverbond,
Stichting LIRA,
Stichting Pictoright,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Vereniging Openbare Bibliotheken, vertreten durch P. de Leeuwe und D. Visser, advocaten,
- der Vereniging Nederlands Uitgeversverbond, vertreten durch C. Alberdingk Thijm und C. de Vries, advocaten,
- der Stichting LIRA und der Stichting Pictoright, vertreten durch J. Seignette, M. van Heezik, G. van der Wal und M. Kingma, advocaten,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch S. Šindelková, D. Hadroušek und M. Smolek als Bevollmächtigte,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und D. Kuon als Bevollmächtigte,
- der griechischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Segoin, G. de Bergues und D. Colas als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino und A. Collabolletta, avvocati dello Stato,
- der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und D. Pelše als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und T. Rendas als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch J. Kraehling als Bevollmächtigte im Beistand von N. Saunders, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Wilman, T. Scharf und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juni 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10) sowie von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Buchst. b und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie ...