Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Art. 39 EG. Versagung der Aufnahme in den Juristischen Vorbereitungsdienst für reglementierte juristische Berufe. Bewerber, der sein juristisches Diplom in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Kriterien der Prüfung der Gleichwertigkeit der erworbenen Kenntnisse

 

Beteiligte

Pesla

Krzysztof Peśla

Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern

 

Tenor

1. Art. 39 EG ist dahin auszulegen, dass bei der Bewertung der Gleichwertigkeit von Ausbildungen, die auf einen Antrag hin erfolgt, unmittelbar in den Vorbereitungsdienst für die juristischen Berufe aufgenommen zu werden, ohne die hierfür vorgesehenen Prüfungen abzulegen, die Kenntnisse als Maßstab heranzuziehen sind, die durch die Qualifikation bescheinigt werden, die in dem Mitgliedstaat verlangt wird, in dem der Bewerber die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst beantragt.

2. Art. 39 EG ist dahin auszulegen, dass er als solcher nicht gebietet, dass die Behörden eines Mitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats auf Zulassung zu einem praktischen Ausbildungsabschnitt, der – wie der Vorbereitungsdienst – Voraussetzung für die spätere Ausübung eines reglementierten juristischen Berufs ist, im Rahmen der nach dem Gemeinschaftsrecht verlangten Gleichwertigkeitsprüfung niedrigere Anforderungen an die juristischen Kenntnisse des Bewerbers stellen als diejenigen, die mit der Qualifikation bescheinigt werden, die in diesem Mitgliedstaat für den Zugang zu diesem praktischen Ausbildungsabschnitt verlangt wird. Jedoch steht zum einen Art. 39 EG einer Lockerung der Anforderungen nicht entgegen, und zum anderen darf die Möglichkeit einer teilweisen Anerkennung von Kenntnissen, die durch vom Betroffenen nachgewiesene Qualifikationen bescheinigt werden, in der Praxis nicht lediglich fiktiv bleiben, was zu überprüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Verwaltungsgericht Schwerin (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Juli 2008, in dem Verfahren

Krzysztof Peśla

gegen

Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó; Caoimh (Berichterstatter),

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Peśla, vertreten durch Rechtsanwalt B. Kemper,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch E. Skandalou und S. Vodina als Bevollmächtigte,
  • von Irland, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von M. Collins, SC, D. Dodd, BL, und K. Keane, BL,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, K. Veres und M. Fehér als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk, M. Adam und M. Vollkommer als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 39 EG.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Peśla, einem polnischen Staatsangehörigen, und dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern wegen dessen Weigerung, Herrn Peśla ohne Eignungsprüfung in den Pflichtfächern der ersten juristischen Staatsprüfung als Rechtsreferendar zum juristischen Vorbereitungsdienst zuzulassen.

Nationaler rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass für die Ausübung aller reglementierten juristischen Berufe in Deutschland grundsätzlich die „Befähigung zum Richteramt” erforderlich ist. Diese Befähigung erwirbt nach § 5 Abs. 1 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG), wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten juristischen Staatsprüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten juristischen Staatsprüfung abschließt.

Rz. 4

Nach § 5a Abs. 2 DRiG sind Gegenstand des Universitätsstudiums – von dem mindestens zwei Jahre in Deutschland verbracht worden sein müssen – Pflichtfächer und Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten. Pflichtfächer sind die Kernbereiche des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts, des Öffentlichen Rechts und des Verfahrensrechts einschließlich der europarechtlichen Bezüge, der rechtswissenschaftlichen Me...

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