Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Zugang zu Gerichten. Rechtsanwaltsgesellschaft bürgerlichen Rechts. Rechtsbehelf zur Anfechtung von Verwaltungshandlungen. Zulässigkeit. Voraussetzungen nach nationalem Recht. Keine Beeinträchtigung der Rechte und berechtigten Interessen. Nicht übermäßig teure Gerichtsverfahren. Kostenverteilung. Kriterien
Normenkette
Aarhus-Übereinkommen Art. 9 Abs. 3-5
Beteiligte
Societatea Civilă Profesională de Avocaţi AB & CD |
Societatea Civilă Profesională de Avocaţi AB & CD |
Consiliul Judeţean Suceava |
Preşedintele Consiliului Judeţean Suceava |
Agenţia pentru Protecţia Mediului Bacău |
Consiliul Local al Comunei Pojorâta |
Tenor
1.Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnet und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde,
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der einer rechtlichen Einheit, die keine nicht staatliche Umweltschutzorganisation ist, die Prozessführungsbefugnis zur Anfechtung einer nicht an sie gerichteten Verwaltungshandlung nur dann zuerkannt wird, wenn sie die Verletzung eines berechtigten privaten Interesses oder eines Interesses geltend macht, das einen Bezug zu einer rechtlichen Situation aufweist, die in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrem Gesellschaftszweck steht.
2.Art. 9 Abs. 4 und 5 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnet und mit dem Beschluss 2005/370 des Rates im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde, ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union
dahin auszulegen, dass
das Gericht, das über die Verurteilung einer Partei zur Tragung der Kosten zu befinden hat, die in einem Rechtsstreit in einer Umweltangelegenheit unterlegen ist, sämtliche Umstände des Einzelfalls, einschließlich des Interesses dieser Partei und des mit dem Umweltschutz verbundenen Allgemeininteresses, zu berücksichtigen hat, um die Einhaltung der Anforderung zu gewährleisten, dass Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.
Tatbestand
In der Rechtssache C-252/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Târgu-Mureş (Berufungsgericht Târgu-Mureş, Rumänien) mit Entscheidung vom 16. Februar 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 8. April 2022, in dem Verfahren
Societatea Civilă Profesională de Avocaţi AB & CD
gegen
Consiliul Judeţean Suceava,
Preşedintele Consiliului Judeţean Suceava,
Agenţia pentru Protecţia Mediului Bacău,
Consiliul Local al Comunei Pojorâta,
Beteiligter:
QP,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin O. Spineanu-Matei, der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2023,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Societatea Civilă Profesională de Avocaţi AB & CD, vertreten durch D. Ionescu, P. F. Plopeanu und I. Stoia, Avocaţi,
- – des Preşedintele Consiliului Judeţean Suceava und des Consiliul Judeţean Suceava, vertreten durch Y. Beşleagă und V. Stoica, Avocaţi,
- – der irischen Regierung, vertreten durch M. Browne, Chief State Solicitor, A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von B. Foley, D. McGrath, SC, und E. Burke-Murphy, BL,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und M. Ioan als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 13. Juli 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 4 und Art. 9 Abs. 3 bis 5 des am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichneten und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. 2005, L 124, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Societatea Civilă Profesională de Avocaţi AB & CD, einer Rechtsanwaltsgesellschaft rumänischen bürgerlichen Rechts (im Folgenden: AB & CD), und mehreren öffentlichen Einrichtungen über die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandlungen, die diese Einrichtungen im Hinblick auf den Bau einer Deponie in Pojorâta (Rumänien) vorgenommen haben, nämlich den Bauleitpl...