Entscheidungsstichwort (Thema)

Umwelt. Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. Projekte, die einer Prüfung unterzogen werden müssen oder nicht. Aufschlussbohrungen. Begriff ‚Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu gewerblichen Zwecken’. Prüfungspflicht bei der Förderung einer bestimmten Gasmenge. Begriff ‚Tiefbohrungen’. Begriff ‚Kumulierung mit anderen Projekten’

 

Normenkette

Richtlinie 85/337/EWG Anhang I Nr. 14; Richtlinie 85/337/EWG Anhang II Nr. 2 Buchst. D; Richtlinie 85/337/EWG Anhang III Nr. 1

 

Beteiligte

Marktgemeinde Straßwalchen u.a

Marktgemeinde Straßwalchen u. a

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

 

Tenor

1. Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der Fassung der Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 ist dahin auszulegen, dass eine Aufschlussbohrung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in deren Rahmen eine Testförderung von Erdgas und Erdöl beabsichtigt ist, um die wirtschaftliche Abbauwürdigkeit einer Lagerstätte zu erforschen, nicht in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt.

2. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 in der Fassung der Richtlinie 2009/31 in Verbindung mit Anhang II Nr. 2 Buchst. d der Richtlinie 85/337 ist dahin auszulegen, dass sich bei einer Tiefbohrung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aufschlussbohrung aus dieser Vorschrift die Pflicht zur Vornahme einer Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben kann. Die zuständigen nationalen Behörden müssen daher eine besondere Prüfung der Frage vornehmen, ob unter Berücksichtigung der Kriterien in Anhang III der Richtlinie 85/337 in der Fassung der Richtlinie 2009/31 eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist. In diesem Rahmen ist u. a. zu prüfen, ob die Umweltauswirkungen der Aufschlussbohrungen wegen der Auswirkungen anderer Projekte größeres Gewicht haben können als bei deren Fehlen. Diese Beurteilung kann nicht von den Gemeindegrenzen abhängen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 11. September 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Oktober 2013, in dem Verfahren

Marktgemeinde Straßwalchen u. a.

gegen

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend,

Beteiligte:

Rohöl-Aufsuchungs AG,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Marktgemeinde Straßwalchen u. a., vertreten durch Rechtsanwalt G. Lebitsch,
  • der Rohöl-Aufsuchungs AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Onz im Beistand von H.-J. Handler,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und M. Lais als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, A. Lippstreu und A. Wiedmann als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, D. Krawczyk und M. Rzotkiewicz als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Wilms und C. Hermes als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 9. Oktober 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Anhang I Nr. 14 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der Fassung der Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl. L 140, S. 114) (im Folgenden: Richtlinie 85/337).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Marktgemeinde Straßwalchen und 59 weiteren Beschwerdeführern des Ausgangsverfahrens auf der einen und dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend auf der anderen Seite über einen Bescheid, mit dem der Rohöl-Aufsuchungs AG die Herstellung einer Aufschlussbohrung auf dem Gebiet der Marktgemeinde Straßwalchen bewilligt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 85/337 lautet:

„(1) Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2) Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 anhand

  1. einer Einzelfalluntersuchung

    oder

  2. der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien,

    ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a...

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