Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Besondere Zuständigkeiten. Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und Buchst. b zweiter Gedankenstrich. Erbringung von Dienstleistungen. Handelsvertretervertrag. Vertragserfüllung in mehreren Mitgliedstaaten
Beteiligte
Wood Floor Solutions Andreas Domberger |
Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH |
Tenor
1. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass diese Bestimmung anwendbar ist, wenn Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten erbracht werden.
2. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass im Fall der Erbringung von Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten für die Entscheidung über alle Klagen aus dem Vertrag das Gericht zuständig ist, in dessen Sprengel sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet. Bei einem Handelsvertretervertrag ist dies der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder, mangels solcher Bestimmungen, aus dessen tatsächlicher Erfüllung ergibt; kann der fragliche Ort nicht auf dieser Grundlage ermittelt werden, so ist auf den Wohnsitz des Handelsvertreters abzustellen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 68 EG und Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 23. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Januar 2009, in dem Verfahren
Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH
gegen
Silva Trade SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. Malenovský, T. von Danwitz und D. Šváby,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt J. Zehetner,
- der Silva Trade SA, vertreten durch die Rechtsanwälte K. U. Janovsky und T. Berend,
- der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten im Beistand von A. Henshaw, Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und S. Grünheid als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Januar 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Verordnung) vorgesehenen Regel eines besonderen Gerichtsstands für Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH (im Folgenden: Wood Floor) mit Sitz in Amstetten (Österreich) und der Silva Trade SA (im Folgenden: Silva Trade) mit Sitz in Wasserbillig (Luxemburg) wegen Ersatzes des durch die Auflösung eines in mehreren Mitgliedstaaten erfüllten Handelsvertretervertrags entstandenen Schadens.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
Der erste Erwägungsgrund der Verordnung lautet:
„Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums hat die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen zu erlassen.”
Rz. 4
Der zweite Erwägungsgrund der Verordnung sieht vor:
„Die Unterschiede zwischen bestimmten einzelstaatlichen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen erschweren das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Es ist daher unerlässlich, Bestimmungen zu erlassen, um die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen.”
Rz. 5
Im elften Erwägungsgrund der Verordnung heißt es: „Die Zuständigkeitsvorschriften müssen in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätz...