Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Ersatz von Schäden, die durch Verspätung bei der Beförderung von Reisegepäck entstanden sind. Abtretung der Forderung eines Fluggasts gegen das Luftfahrtunternehmen an eine Handelsgesellschaft. Vertragsklausel, die eine solche Abtretung verbietet. Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Von Amts wegen vorgenommene Missbräuchlichkeitsprüfung der Klausel, die die Abtretung von Fluggastrechten verbietet. Modalitäten dieser Prüfung im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft, auf die die Forderung übertragen wird, und dem Luftfahrtunternehmen. Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens
Normenkette
Übereinkommen von Montreal Art. 19; Richtlinie 93/13/EG; Richtlinie 93/13/EG Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1
Beteiligte
Air Europa Líneas Aéreas SAU |
Tenor
1.Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz
sind dahin auszulegen, dass
das nationale Gericht eine Klausel in einem Beförderungsvertrag zwischen einem Fluggast und einem Luftfahrtunternehmen, die die Abtretung der Rechte des Fluggasts gegenüber diesem Luftfahrtunternehmen verbietet, nicht von Amts wegen auf ihre Missbräuchlichkeit zu prüfen hat, wenn dieses Gericht mit einer gegen das Luftfahrtunternehmen gerichteten Schadensersatzklage einer Handelsgesellschaft befasst ist, an die der Fluggast seine Schadensersatzforderung abgetreten hat, sofern diese Handelsgesellschaft vor dem genannten Gericht tatsächlich die Möglichkeit hat oder hatte, sich vor diesem Gericht auf die Missbräuchlichkeit der fraglichen Klausel zu berufen.
Der Äquivalenzgrundsatz ist dahin auszulegen, dass
dieses Gericht, wenn es nach nationalem Recht befugt oder verpflichtet ist, von Amts wegen die Unvereinbarkeit einer solchen Klausel mit zwingenden nationalen Vorschriften zu prüfen, auch befugt oder verpflichtet sein muss, von Amts wegen die Unvereinbarkeit einer solchen Klausel mit Art. 6 der Richtlinie 93/13 zu prüfen, sofern es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.
2.Der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens ist dahin auszulegen, dass
das nationale Gericht, wenn es anlässlich einer gegen ein Luftfahrtunternehmen gerichteten Schadensersatzklage einer Handelsgesellschaft, an die ein Fluggast seine Schadensersatzforderung gegen dieses Luftfahrtunternehmen abgetreten hat, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Klausel in einem zwischen diesem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen geschlossenen Beförderungsvertrag feststellt, weder den Fluggast über die Missbräuchlichkeit dieser Klausel zu unterrichten hat noch ihn zu befragen hat, ob er sich auf die Missbräuchlichkeit dieser Klausel berufen möchte oder der Anwendung dieser Klausel zustimmt. Dagegen muss das Gericht die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hierüber unterrichten, um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, ihre jeweiligen Argumente im Rahmen einer kontradiktorischen Erörterung geltend zu machen, und sich vergewissern, dass die Handelsgesellschaft, an die die Forderung abgetreten wurde, begehrt, dass diese Klausel für nicht anwendbar erklärt wird.
Tatbestand
In der Rechtssache C-173/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Mercantil n.o1 de Palma de Mallorca (Handelsgericht Nr. 1 Palma de Mallorca, Spanien) mit Entscheidung vom 10. März 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 20. März 2023, in dem Verfahren
Eventmedia Soluciones SL
gegen
Air Europa Líneas Aéreas SAU
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin), des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer sowie der Richter N. Piçarra, N. Jääskinen und M. Gavalec,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Eventmedia Soluciones SL, vertreten durch A.-M. Martínez Cuadros, Abogada,
- – der Air Europa Líneas Aéreas SAU, vertreten durch N. de Dorremochea Guiot, Procurador, und E. Olea Ballesteros, Abogado,
- – der spanischen Regierung, vertreten durch A. Ballesteros Panizo als Bevollmächtigten,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch J. L. Buendía Sierra und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zw...