Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehrsfreiheit. Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Lettland zu Zwecken ihrer Nutzung. Regelung der Vorabgenehmigung für juristische Personen. Besondere Voraussetzungen, die nur für juristische Personen gelten, die von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats kontrolliert oder vertreten werden. Wohnsitzerfordernis und Erfordernis der Beherrschung der Amtssprache der Republik Lettland. Unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit
Normenkette
AEUV Art. 49, 63; Richtlinie 2006/123/EG
Beteiligte
Madonas novada pašvaldības Administratīvo aktu strīdu komisija |
Tenor
Die Art. 9, 10 und 14 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die das Recht einer juristischen Person, deren Alleingesellschafter oder deren Gesellschafter, die zusammen mehr als die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals der betreffenden Gesellschaft vertreten, und deren vertretungsberechtigte Personen Angehörige anderer Mitgliedstaaten sind, Eigentum an einer landwirtschaftlichen Fläche im Gebiet dieses Mitgliedstaats zu erwerben, davon abhängig macht, dass diese Gesellschafter oder vertretungsberechtigten Personen zum einen eine Meldebescheinigung als Ansässige dieses Mitgliedstaats und zum anderen ein Dokument vorlegen, das nachweist, dass sie die Amtssprache dieses Mitgliedstaats auf einem Niveau beherrschen, das es ihnen zumindest erlaubt, ein Gespräch über alltägliche oder berufliche Themen zu führen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administratīvā rajona tiesa, Rīgas tiesu nams (Verwaltungsgericht erster Instanz, Bezirk Riga, Lettland) mit Entscheidung vom 28. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 5. März 2019, in dem Verfahren
”KOB” SIA
gegen
Madonas novada pašvaldības Administratīvo aktu strīdu komisija
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan, des Präsidenten der Ersten Kammer J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der „KOB” SIA, vertreten durch A. Blūmiņš, advokāts,
- der lettischen Regierung, zunächst vertreten durch V. Kalniņa und I. Kucina, dann durch V. Kalniņa als Bevollmächtigte,
- der schwedischen Regierung, zunächst vertreten durch A. Falk, J. Lundberg, C. Meyer-Seitz, H. Shev und H. Eklinder, dann durch C. Meyer-Seitz, H. Shev und H. Eklinder als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, I. Rubene und L. Malferrari als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18, 49, 63 und 345 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der „KOB” SIA, einer Handelsgesellschaft mit Sitz in Lettland, und der Madonas novada pašvaldības Administratīvo aktu strīdu komisija (Widerspruchsausschuss der Gemeindeverwaltung Madona, Lettland) über die Entscheidung, mit der diese den Antrag von KOB auf Erwerb einer landwirtschaftlichen Fläche abgelehnt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36) sieht vor:
„Diese Richtlinie enthält allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.”
Rz. 4
Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.”
Rz. 5
Art. 4 der Richtlinie bestimmt:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:
…
5. ‚Niederlassung’ die tatsächliche Ausübung einer von Artikel 43 des Vertrags erfassten wirtschaftlichen Tätigkeit durch den Dienstleistungserbringer auf unbestimmte Zeit und mittels einer festen Infrastruktur, von der aus die Geschäftstätigkeit der Dienstleistungserbringung tatsächlich ausgeübt wird;
6. ‚Genehmigungsregelung’ jedes Verfahren, das einen Dienstleistungserbringer oder -empfänger verpflichtet, bei einer zuständigen Behörde eine förmliche oder stillschweigende Entscheidung über die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit zu erwirken;
…”
Rz. 6
Art. 9 („Genehmigungsregelungen”) der Richtlinie sieht in Abs. 1 vor:
„Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme und die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit nur dann Genehmigungsregelungen ...