Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz der öffentlichen Gesundheit. Binnenmarkt. Humanarzneimittel. Werbung. Abgabe von Gratismustern verschreibungspflichtiger Arzneimittel nur an die zur Verschreibung berechtigten Personen. Ausschluss der Apotheker von der Abgabe. Unanwendbarkeit auf die Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Folgen für die Mitgliedstaaten

 

Normenkette

Richtlinie 2001/83/EG Art. 96

 

Beteiligte

ratiopharm

ratiopharm GmbH

Novartis Consumer Health GmbH

 

Tenor

Art. 96 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er es pharmazeutischen Unternehmen nicht erlaubt, Gratismuster verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker abzugeben. Dagegen steht diese Bestimmung der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheker nicht entgegen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 31. Oktober 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2018, in dem Verfahren

ratiopharm GmbH

gegen

Novartis Consumer Health GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Richterin L. S. Rossi sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), F. Biltgen und N. Wahl,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. November 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der ratiopharm GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin I.-M. Schulte-Franzheim und Rechtsanwalt M. Viefhues,
  • der Novartis Consumer Health GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt D. Bruhn,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch V. Karra, Z. Chatzipavlou und E. Tsaousi als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Noll-Ehlers und A. Sipos als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Januar 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 96 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2001, L 311, S. 67) in der durch die Richtlinie 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 (ABl. 2004, L 136, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/83).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ratiopharm GmbH und der Novartis Consumer Health GmbH (im Folgenden: Novartis) wegen einer Klage von Novartis, mit der diese beantragt, es ratiopharm zu untersagen, Gratismuster von Arzneimitteln an Apotheker abzugeben.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 2 bis 4, 14, 45 bis 47, 50 und 51 der Richtlinie 2001/83 lauten:

„(2) Alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf dem Gebiet der Herstellung, des Vertriebs oder der Verwendung von Arzneimitteln müssen in erster Linie einen wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit gewährleisten.

(3) Dieses Ziel muss jedoch mit Mitteln erreicht werden, die die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie und den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft nicht hemmen können.

(4) Die Unterschiede zwischen einigen einzelstaatlichen Vorschriften, namentlich zwischen den Vorschriften über Arzneimittel – mit Ausnahme solcher Stoffe und Stoffzusammensetzungen, die Lebensmittel, Futtermittel oder Körperpflegemittel sind –, behindern den Handel mit Arzneimitteln innerhalb der Gemeinschaft und wirken sich somit unmittelbar auf das Funktionieren des Binnenmarktes aus.

(14) Diese Richtlinie ist ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Verwirklichung des freien Verkehrs mit Arzneimitteln. Aber aufgrund der insbesondere im Ausschuss für Arzneispezialitäten gesammelten Erfahrungen können sich weitere Maßnahmen als notwendig erweisen, um noch bestehende Hemmnisse für den freien Verkehr zu beseitigen.

(45) Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die ohne ärztliche Verschreibung abgegeben werden können, könnte sich auf die öffentliche Gesundheit auswirken, wenn sie übertrieben und unvernünftig ist. Die Werbung muss, wenn sie erlaubt wird, bestimmten Anforderungen genügen, die festgelegt werden müssen.

(46) Ferner ist die Abgabe von Gratismustern zum Zwecke der Verkaufsförderung zu untersagen.

(47) Die Arzneimittelwerbung bei Persone...

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