Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges und gewerbliches Eigentum. Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Anwendungsbereich. Gebrauchsgegenstand. Begriff ‚Werk’. Urheberrechtlicher Schutz von Werken. Voraussetzungen. Zur Erreichung eines technischen Ergebnisses erforderliche Form eines Erzeugnisses. Faltrad
Normenkette
Richtlinie 2001/29/EG Art. 2-5
Beteiligte
Tenor
Die Art. 2 bis 5 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft sind dahin auszulegen, dass der in diesen Artikeln vorgesehene Urheberrechtsschutz auf ein Erzeugnis Anwendung findet, dessen Form, zumindest teilweise, zur Erreichung eines technischen Ergebnisses erforderlich ist, wenn es sich bei diesem Erzeugnis um ein aus einer geistigen Schöpfung entspringendes Originalwerk handelt, weil der Urheber des Werkes mit der Wahl der Form des Erzeugnisses seine schöpferische Fähigkeit in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft, so dass diese Form seine Persönlichkeit widerspiegelt. Es ist Aufgabe des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller einschlägigen Aspekte des Ausgangsrechtsstreits zu prüfen, ob dies der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal de l'entreprise de Liège (Unternehmensgericht Lüttich, Belgien) mit Entscheidung vom 18. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Dezember 2018, in dem Verfahren
SI,
Brompton Bicycle Ltd
gegen
Chedech/Get2Get
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász (Berichterstatter), M. Ilešič und C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von SI und der Brompton Bicycle Ltd, vertreten durch B. Van Asbroeck, G. de Villegas und A. Schockaert, avocats,
- von Chedech/Get2Get, vertreten durch A. Marín Melgar, abogado,
- der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs, C. Pochet und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch É. Gippini Fournier und J. Samnadda als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Februar 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen SI und der Brompton Bicycle Ltd (im Folgenden: Brompton) auf der einen Seite und Chedech/Get2Get (im Folgenden: Get2Get) auf der anderen Seite betreffend eine gegen Get2Get eingereichte Klage wegen Urheberrechtsverletzung.
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst
Rz. 3
Art. 2 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung (im Folgenden: Berner Übereinkunft) sieht in den Abs. 1 und 7 vor:
„1) Die Bezeichnung ‚Werke der Literatur und Kunst’ umfasst alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst, ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks, wie: … Werke der zeichnenden Kunst; … Werke der angewandten Kunst …
…
7) … bleibt der Gesetzgebung der [Länder des Verbandes für den mit der Berner Übereinkunft eingeführten Schutz der Rechte der Urheber an ihren Werken der Literatur und Kunst – Verbandsländer] vorbehalten, den Anwendungsbereich der Gesetze, die die Werke der angewandten Kunst und die gewerblichen Muster und Modelle betreffen, sowie die Voraussetzungen des Schutzes dieser Werke, Muster und Modelle festzulegen. Für Werke, die im Ursprungsland nur als Muster und Modelle geschützt werden, kann in einem anderen Verbandsland nur der besondere Schutz beansprucht werden, der in diesem Land den Mustern und Modellen gewährt wird, wird jedoch in diesem Land kein solcher besonderer Schutz gewährt, so sind diese Werke als Werke der Kunst zu schützen.”
WIPO-Urheberrechtsvertrag
Rz. 4
Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag an, der mit Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. 2000, L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde und am 14. März 2010 für die Europäische Union in Kraft trat (ABl. 2010, L 32, S. 1).
Rz. 5
Art. 1 („Verhältnis zur Berner ...